Goa - Zwischen Palmen, Kühen und Hippies

Auf dem Weg nach Goa lernen wir im Zug fünf indische Mittdreißiger kennen, mit denen wir uns über die kürzeste Route von der Zugstation in Thivim zu unserem Ziel in Calangute diskutieren. Anfangst schätzten wir diese als verwöhnte Couchpotatoes ein, die zu lange im Nest daheim verweilt haben. Ironischerweise erklären sie uns kurz darauf, dass sie Beamten der Kriminalpolizei Mumbai seien, die in genau dasselbe Calangute beordert wurden, um einer Vergewaltigung auf den Grund zu gehen, genauere Details könnten sie aber nicht nennen. Verstörend, dass Inder immer so kindlich unerfahren wirken. Desweiteren, erzählt uns ein Anderer kurz danach, soll per Zivilpolizeipräsenz die steigende Terrorgefahr in touristischen Urlaubsgebieten wie Goa eingedämmt werden. Ob wir nicht ein Taxi nach Calangute mit ihnen teilen wollen, fragen sie. Kurios, die Kripo reist in Indien mit Zug und Taxi? Wir unterhalten uns zur Absicherung mit einem älteren Ehepaar, das sich vorher noch mit den Männern unterhalten hatte. Sie erklären uns, dass die Gruppe tatsächlich eine Abteilung der Kripo sei und dass die Gehälter und Jobkonditionen in Maharashtra, also dem Bundesstaat von Mumbai, sehr schlecht seien und daher vom eigenen Gehalt gereist werden müsse. Nun bleibt unser Gespräch natürlich ganz romantisch bei der besonderen Häufigkeit von Vergewaltigungen in Indien hängen. Der Facktencheck hierzu ist einfach nur haaresträubend. Seit 1970 bis heute ist die Zahl der Vergewaltigungen um 700% gestiegen (der Bevölkerungszuwachs in dieser Zeitspanne liegt gerade einmal bei 120%) auf 25.000 Fälle im Jahr, das bedeutet, dass täglich theoretisch 68,5 Frauen sexuell misshalndelt werden! Die Dunkelziffer liegt bei solchen Angelegenheiten bekanntlich deutlich höher. Die Gründe hierfür liegen tief in der indischen Tradition verankert und vieles darüber haben wir bereits in unserem Blog “Indien verstehen” beschrieben.

Mit 3 Stunden Verspätung kommen wir dann Spätabends in Thivim an. Zu siebt passen wir leider in kein Taxi bis ins 25km entfernte Calangute, also verabschieden wir uns von den zuvorkommenden Polizisten und steigen endlich einmal wieder in ein Tuk Tuk. Ja, dieses kleine Gefährt haben wir in Nepal und auch Mumbai doch sehr vermisst. Calangute liegt im Norden von Goa, DEM Hippiestaat Indiens. Dort angekommen, bestellt sich Domi seit langem mal wieder ein Bier, denn hier ist Alkohol wieder erlaubt. Unser Hostel ist ein Volltreffer und wir machen uns enthusiastisch am nächsten Morgen auf an den ersten Strand unserer Reise! Dieser haut uns zwar nicht aus den Socken, aber man will ja nicht kleinlich sein und so machen wir es uns gemütlich. Doch allzu schnell wird uns hier der Trend indischer Junggesellen, das “Tourist-watching”, vor Augen geführt. Sie ziehen in kleinen Gruppen den Strand entlang, bleiben in der Nähe von westlichen Frauen in Bikini stehen und machen ganz unschuldig Selfies mit dem Meer im Hintergrund – die natürlich keine Selfies sind, sondern Fotos von den unbekümmerten Touris. Am Anfang haben wir uns nicht darum gekümmert, aber als immer mehr Jungs, auch ab und zu alleine, stehen bleiben und ihr Smartphone in die Höhe recken, schwingt die Stimmung um und wir werden immer gereizter. Werden die Schnappschüsse dann an Freunde versendet oder macht man sich damit daheim auf Toilette warme Gedanken?! Ein besonders dreister Bursche bringt Natzes Fass zum überlaufen und Domi muss schnell hinterher, um Schlimmeres zu verhindern. Der etwas untersetzte Brillenträger hat, geschockt von unserer lauten Reaktion, noch schnell versucht alles Beweismaterial zu löschen und sich zig mal entschuldigt – und dennoch versucht, das beste Foto zu behalten! Hätte sich Domi nicht das Handy geschnappt, wäre ihm das auch fast gelungen. Letztendlich kann man solche Lüstlinge wahrscheinlich nicht mal in Deutschland ausmachen und abhalten von dem, was sie tun – aber bei einer so schlecht verschleierten, offensichtlichen Art und Weise kann man schonmal einen beim Ohrwaschl packen.

Als wir den Strand kurz darauf nach Norden ablaufen, wird uns bewusst, woher die vielen Inder kamen. Hier hat sich eine Menschenmenge an dem Punkt versammelt, an dem die Hauptstraße auf den Strand trifft. Und dort baden die Einheimischen unter ihresgleichen im Meer. Übrigens in fast voller Montur, wenigstens die Schuhe zeiht man sich vorher aus. Hier posen ganze Freundeskreise im seichten Ebbe-Wasser liegend für ganz besonder heiße Profilbilder im Sonnenuntergang (für uns sieht das aus wie der Versuch von einem schwulen Exzentriker, sich wie Dita von Theese zu räkeln) und die Fischer des Dorfes breiten ihren frischen Tagesfang mittendrin auf Netzen im Sand aus. Als ob das alles nicht neu genug für uns wäre, sehen wir hier das erste mal betrunkene Inder und solche, die auf ambitionierten Weg dahin sind.

Abends machen wir uns dann mit ein paar neugewonnenen Hostelkumpels auf in die nahegelegene Tito-Lane, die Feiermeile mit nahezu Malle-artigem Flair. Hier kann man es wirklich günstig krachen lassen und so vertreiben wir uns die nächsten Tage recht entspannt in Calangute, bis es dann per Bus nach Palolem in Südgoa weitergeht, inklusive drei Mal umsteigen.

Hier ist es genau umgekehrt: das Hostel enttäuscht leicht, aber die Strände machen das wieder mehr als wett. Strandbarfeeling und tolle Sonnenuntergänge zeigen Indien von einer gänzlich anderen Seite, als wir es bisher erlebt haben und lassen uns das erste Mal richtig runterkommen. Wir erkunden zwei weitere Strände in der Nähe und sind wirklich angetan vom “Goafeeling”, wo die Mühlen eindeutig langsamer mahlen. Dichte Palmenwälder und versteckte Traumbuchten wechseln sich hier ab mit guten Restaurants und wunderschönen Landstraßen, die mit dem Roller erkundet werden wollen. Ja, so lässt es sich zum Glück auch leben im sonst so lauten und stickigen Indien. Besonders Cola Beach hat uns wirklich umgehauen!

Von Galgigaba Beach nach Cola Beach

Natze & Domi