Jaipur - verblasstes Pink

Als eine „spannende, geschichtsträchtige Stadt mit einer berauschenden Mischung aus Alt und Neu“ wird die Hauptstadt Rajasthans in so manchen Reiseführern beschrieben. Von dieser königlichen Vergangheit hat Jaipur außer zahlreichen Palästen und den alles beherrschenden pinken Häuserfassaden viel einbüßen müssen. Touristenbusse wohin unser Auge blickt, indische Tourguides führen die strömenden Massen an Engländern und Chinesen von einer Attraktion zur nächsten und natürlich: überall muss man überteurte Eintrittspreise zahlen. Genau für solche Art Reisende ist die Stadt wie  gemacht. Jaipur spaltet unsere Gemüter. Natze findet an dieser Stadt wenig Besonderes. Ihr fehlt es an Charme, bunten Märkten und chaotischen Plätzen, sogar Dehlis kleine Gässchen hatten mehr zu bieten, als was man hier zu sehen bekommt.

Tatsächlich hat Jaipur hier seinen ursprünglichen Zweck nicht verfehlt: Als Sitz vieler politischer Organe ist es seit der Kolonialzeit die Stadt, in der hochkarätige Offizielle empfangen werden. Zu diesem Zweck wurde die gesamte Altstadt damals in Pink gestrichen und seither ist es jedem Einwohner innerhalb der Stadtmauern vorgeschrieben, die Farbe regelmäßig zu erneuern. Und diese verantwortungsbewusste Historie merkt man: Die Straßen verlaufen alle gerade in Blocks, es ist erstaunlich aufgeräumt und leider daher auch harsch und unpersönlich. Die Paläste und Rathäuser sind nicht das verlangte Geld wert, aber auf „Big Sightseeing“ dieser Art ist Natze sowieso nicht aus, da man hier nichts erlebt. Sie will das echte Indien auf den Straßen in sich aufsaugen, doch Jaipur kann hier nur enttäuschen. 

Zwischen unzähligen, innerhalb der zweiten Stadtmauern freilebenden Affen und einer noch größeren Menge gläubiger Hindus erlebt Domi dann auf einem Solo Spaziergang etwas sehr Besonderes: Aus Neugier der Menge buntgeschmückter Inder gefolgt (und unbemerkt in die bewachte Tempelanlage geschlüpft) wird er Zeuge einer andächtigen Gesangszeremonie in und vor dem bekannten Shri Govind Dev Ji Tempel. Die Melodien der Menge, die huldig die Arme in der Luft schüttelt und in den offenen Säulenraum hin zum glockenläutenden und fackelschwenkenden Krischna-Priester drängt, lösen sofort Gänsehaut aus. Während die meisten lautstark mitsingen, wippen andere wie in Trance, am Boden kauernd, im Takt und einige wenige wurden augenscheinlich von Freude und Tränen gleichzeitig überwältigt. 

Dass man hier mittendrin als einziger Fremder nicht mit der Kamera stören wollte, versteht sich wahrscheinlich von selbst. 

Wer in Jaipur echt etwas erleben will, abseits des Massentourismus, muss raus aus dieser chaotischen Stadt Richtung Norden. Unser Glück ist ein sehr aufgeweckter, junger TukTuk-Fahrer, der uns den ganzen Tag bespaßt. Er fährt uns durch die Hügel rund um die Stadt zum Galtaji Tempel, oder auch Affentempel, bringt uns zum Wasserpalast und zeigt uns die traditionelle Kunst der Schneider und Färber (mit ausschließlich vegetarischen Farben) in der Klamottenfabrik seines Cousins.


Das absolute Highlight in dieser Stadt: Ein langer Morgen bei der indischen Post. Pakete werden hier vor dem Verschicken mit Stofflaken blitzschnell und gekonnt vernäht und später mit rotem Wachs versiegelt. Wir sind gespannt, wann unsere kleinen Päckchen in Deutschland ankommen.


Natze & Domi