Agra - "Das musst du gesehen haben"

Abends kommen wir in Agra an. Es wird ein kurzer Aufenthalt, bei Sonnenaufgang das Taj Mahal besichtigen und abends weiter nach Nepal tukkern. Wiedermal begrüßt uns eine indische Stadt mit religiösen Feierlichkeiten und zeigt ihren asiatischen Prater-Charme mit Miniatur-Riesenrädern und winzigen Karussells, Musik und Straßenzügen. 

Die TukTuk-Fahrer hier verlangen ordentliche Preise.... Doch nach zwei Wochen Indien-Erfahrung lassen wir uns nicht mehr abzocken, verhandeln sogar mit zwei Fahrern gleichzeitig, die sich dann gegenseitig im Preis unterbieten, nur um eine Fahrt zu machen. Auf diese Weise bekommen wir den Preis den wir wollen (naja, immer noch recht frech....). Wir haben ein Hotel direkt am Taj Mahal gebucht, 200m davon entfernt. Der gut gelaunte Rezeptionist empfängt uns mit einem breiten Grinsen und packt sofort seine Deutschkenntnisse aus, „Jawoll“ und „Sicher, sicher“.

Den Taj Mahal nicht zu besuchen, wäre ein wenig, als würde man einen Chai vom Straßenhändler verweigern: Ein Unding! Er gilt als schönstes Gebäude der Welt und die Geschichte dahinter ist einfach nur unfassbar romantisch: Der Mogulherrscher Shah Jahan erbaute den Taj Mahal als Grabmal zum Gedenken an seine geliebte Ehefrau Mumtaz Mahal, die bei der Geburt ihres 14.Kindes gestorben ist. 

Um 5 Uhr stehen wir auf, im Morgenlicht soll der Taj am stimmungsvollsten sein und wir haben die Hoffnung, dass wir dem großen Ansturm so entgehen. Gut, die einzigen sind wir nicht, aber im Gegensatz zur Masse am Nachmittag ist verhältnismäßig wenig los. Nach einer Stunde Warterei (jaaaa, wir hätten später aufstehen können...) werden die Tore endlich geöffnet und wir können hinein! Nein, doch noch nicht ganz, denn erst müssen Sicherheitschecks durchgeführt werden...Inderinnen, die dich abtasten, dir die Süßigkeiten wegnehmen (die für die Straßenkinder gedacht waren) und ein Taschen durchwühlender Security, der dir verbietet, Spielkarten mit hinein zu nehmen....solltet ihr jemals vorhaben, zum Taj Mahal zu fahren, nehmt am besten NICHTS mit, außer eurem Geld und der Kamera.

Ok, haben wir das auch geschafft, jetzt aber ab, bevor wir den Sonnenaufgang verpassen. Wir biegen nach links blicken durch das Tor und sehen: Köpfe... viele Köpfe und dahinter: ahhhhhh da steht er: der Taj Mahal. Irgendwie ist er doch kleiner als erwartet und man hat sich doch mehr diesen Wow-Effekt gewünscht. Wahrscheinlich, weil alle darüber schwärmen,  wie atemberaubend dieses neue Weltwunder doch ist, formt man es sich in Gedanken noch größer.

Alle stellen sich in die Mitte und wollen das typische Touristenfoto des Tajs. Natürlich machen auch wir eins, wenn wir schon mal hier sind.

Architektonisch ist diese massive Steinkuppel allerdings sehr beeindruckend und dass die Anlage bereits vor 350 Jahren fertiggestellt wurde, sieht man ihr nicht im Geringsten an. Lange verweilen wir hier aber nicht, wir warten noch bis die Sonne vollständig aufgegangen ist, schießen ein paar letzte Fotos und machen uns auf zur Frühstückssuche, bevor die indischen Touristenmassen den Taj Mahal für sich beanspruchen.

Wir streifen durch die äußeren Viertel der Stadt, um dem touristischen Flair ein wenig zu entkommen, folgen lauten Hinduliedern und werden gleich drauf belohnt: 

Am Ufer des Yamuna Flusses finden wir eine traditionelle hinduistische Begräbnisstätte - oder besser gesagt Einäscherungsstätte. 

Hindus verbrennen ihre Toten und es ist eine große Ehre, wenn die Asche in den Ganges gestreut wird, oder wie hier in einen Ganges-Zufluss. 

Orte wie dieser sind nicht still und andächtig, sie sind geschäftig und laut. Die Angehörigen im kleinen Tempel nebenan besingen die Götter, während (nur männliche) Angehörige, Freunde und sicher auch Neugierige die in weiße Tücher eingewickelten Toten unter viel Diskussion und Gedränge in eine ausgeklügelte Form von Scheiterhaufen einbetten und anzünden. Der Ort hat etwas wunderschönes und etwas sehr makaberes zugleich. Während etwas weiter oben herzhaft musiziert wird, brennen unten mehrere Scheiterhaufen lichterloh, einige von Männermassen umstellt, einige völlig für sich und etwas weiter hinten erkennt man Pavillions aus Stein, unter denen der Steinboden von vermutlich aberhunderten Einäscherungen kohlrabenschwarz spiegelt. Natze findet es unangebracht zu dieser Zeremonie als einzige Ausländer und Frau dazuzustoßen, also stellen wir uns ein wenig abseits und machen von hier aus unbemerkt Bilder. Sowas muss festgehalten werden. 

Da unser Zug erst am späten Abend Richtung Nepal geht, verbummeln wir den ganzen restlichen Tag in Cafés und Restaurants. Ganz offensichtlich haben wir den Bundesstaat Rajasthan verlassen, denn in Uttar Pradesh wird das Menü eines jeden Restaurants auf einmal mit „Chicken“ überflutet. Während man in Rajasthan schon wirklich lange suchen musste, um ein Non-Veg. Restaurant zu finden, werden hier die Hühner direkt vor dem Laden am Straßenrand in Käfigen gehalten und auch hier geschlachtet. Nachdem wir aber gesehen haben, wie den Hühnern der Kopf abgerissen, das Federkleid abgezogen und das ungekühlte, rohe Fleisch aufbewahrt wird, bleiben wir getrost bei vegetarisch und verzichten auf die Proteine - unsere Bäuche haben sich gerade so schön an indisches Essen gewöhnt...

Natze & Domi