Yosemite Nationalpark - Die Wiege der Natur

Leider müssen wir den Park vom Süden her anfahren, da der Tioga Pass im Osten aufgrund des Schnees noch geschlossen ist. Das bedeutet einen riesigen Umweg für uns, wir müssen vom Death Valley einmal komplett um den Park herum fahren. Wir machen einen Stopp in Bakersfield, wo wir uns nochmal eine ordentliche Mütze Schlaf gönnen, bevor wir uns mit der Peggy wieder nach oben kämpfen. Hier stocken wir gleich auch noch einmal unsere Vorräte auf. Inzwischen haben wir gelernt, dass Essen gehen oder Lebensmittel kaufen innerhalb der Nationalparks eine sehr kostspielige Sache ist. Wir schlagen ordentlich zu und fahren auf dem Freeway parallel entlang der Sierra Nevada in Richtung Norden. Solche Freeway Abschnitte sind definitiv die langweilige Seite von Roadtrips, vor allem in kalifornischen Tälern, wo es flach und trocken ist. Als wir aber kurz nach der Ausfahrt Richtung Yosemite in die saftig grünen Weinberge und Tannenwälder der Sierra eintauchen, steigt unsere Stimmung merklich. Von Ort zu Ort wird es entspannter, authentischer und kultureller. Wir passieren dramatische Waldbrand Gebiete und lassen unsere Peggy nach steilen Hängen ruhen, um runterzukühlen. Wir entscheiden uns dazu, den Park im Süden anzufahren und sind begeistert. In den Dörfern um den Park leben die echt hart eingesessenen Cowboys und Familien in wunderschönen Holzhäusern, es gibt Salons und Kutschen. Natürlich ist ein guter Teil davon auch Schauspiel für Touristen, aber es erscheint uns das erste Mal authentisch. Wir machen also unseren Weg durch die kurvigen Straßen des Yosemite und stoppen alle paar Minuten für atemberaubende Fotogelegenheiten. Die Natur schmückt sich hier üppig, es ist knallgrün und die Flüsse sind stark angeschwollen; auch hier redet jeder von Rekordschneeschmelze. Kurz vor dem Haupttal fahren wir durch den Wawona Tunnel und staunen nicht schlecht bei der Aussicht, die uns danach geboten wird. Senkrechte, 1000m hohe, nackte Granitwände flankieren ein abwechslungsreiches Tal voller Pinien, Flussläufe und hochgewachsener, unberührter Felder. Hier haben wir einen freien Blick auf das Yosemite Valley mit dem schroffen "El Capitan" (2307m) zu unserer Linken und dem hoch aufragenden "Half Dome" (2694m), der selbst aus der Ferne mit seiner Masse beeindruckt. Mehrere riesige Wasserfälle donnern von dem noch schneebedeckten Hochplateau so weit in die Tiefe, das sie vom Wind aufgefasst und über das ganze Tal verstreut werden. Von hier oben sieht das aus wie Sonne, Regen, Nebel und Regenbögen gleichzeitig, es könnte nicht schöner in Szene gesetzt sein! Wie aus einem Bilderbuch. Wir stehen da und staunen.

Nachdem wir uns wieder gefasst haben und die Serpentinen bis ins Tal gefahren sind, kommen wir auch gleich beim ersten der großen Wasserfälle vorbei, dem "Bridalveil Fall".  Es donnert und knackt lauter und lauter, je näher man diesem Naturschauspiel kommt. Das dürfen wir uns nicht entgehen lassen! Wir fahren auf den völlig unter Wasser stehenden Parkplatz und fangen an, dem Reden der "Experten" Glauben zu schenken - der Fluss unterhalb des Falls ist über die Ufer getreten. Bereits beim Aussteigen werden wir vom leichten Sprühnebel berieselt. Schnell schnappen wir uns die Kamera und eilen dem Getöse entgegen! Etwa 150 Meter vor der eigentlichen Aussichtsplattform ist für die meisten Besucher Endstation, denn der starke Wind erzeugt hier schweren Platzregen. Gut, dass wir so viel zum wechseln dabei haben! Nass werden wir sowieso, also nichts wie ab ins kühle Nass, bis direkt unter den Wasserfall. Hier ist das Donnern so laut, dass man sich beinah anschreien muss. Komplett durchnässt schießen wir uns ein paar Fotos und nichts wie zurück, die Kamera retten! Wir ziehen uns um und beschließen, erst einmal unser Lager zu beziehen.

 

Auf der Fahrt zu unserem Campingplatz fahren wir durch das Tal und bekommen einen weiteren Eindruck, was uns die nächsten Tage hier erwartet. Domi erblickt den "El Capitan" aus nächster Nähe und freut sich jetzt schon wie ein Kind zu Weihnachten, Ostern und Geburtstag gleichzeitig. Diese steile Felswand lässt Freeclimbern und Basejumpern aus aller Welt das Blut schneller durch die Adern fließen. Er gilt als Mekka der Extremsportler!

Dieses Mal waren wir klüger: Haben wir vorab hier einen Campingplatz reserviert, damit wir dem Stress um den Kampf eines Campingplatzes umgehen. Wir lernen dazu. Wir fahren das wunderschöne Tal bis ins hintere Stück und passieren dabei viele wild lebende Rehe! Am Empfangshäuschen begrüßt uns Betty, eine herzliche, ältere Rangerin und erklärt uns ausführlich die Situation hier in "Bear Country". Wir müssen alle unsere Lebensmittel in bereit gestellten Stahlcontainern lagern und werden vor dem bevorstehenden Hochwasser heute Nacht gewarnt - also war das Gerede von allen selbsternannten Experten über die Rekordschneeschmelze richtig. Der "Lower Pines" Campground liegt direkt am Fluss, der tatsächlich schon ziemlich stark angeschwollen ist. Die flussnahen Stellplätze wurden schon gesperrt, da sie überlaufen sind und auch andere Plätze stehen teilweise unter Wasser, da es von unten hoch drückt. Wir beziehen unseren Platz, der eine Reihe entfernt und leicht erhöht von den vorsorglich evakuierten Stellplätzen liegt. Na, hoffentlich haben die Ranger richtig kalkuliert. Der Fluss ist reißend und EISKALT, was Domi nicht davon abhält, einen Erfrischungssprung in ein ruhigeres Nebenbecken zu machen.

Wir machen eine Spazier-Tour durch das Dorf und besorgen uns Feuerholz. Hier gibt es tatsächlich WOHNSITZE im Nationalpark, kleine Holzhütten mit Aussicht zum Verlieben... eine Menge Künstler hat sich hier wohl niedergelassen - von Werken in Aquarell und Ölfarben bis hin zu surrealistischen Zeichnungen ist alles zu finden.

Wieder daheim muss das Feuerholz auch klein gemacht werden, also muss eine Axt her - der redselige Nachbar kann aushelfen. Nach einigen Schlägen im Halbdunkel trifft Domi so schräg, dass ein großer Splitter zurückspringt und direkt auf sein Auge kracht! Nach kurzer Panik und viel Augen auswaschen mit Natzes Hilfe gibt's aber Entwarnung, denn es war die flache Seite, die getroffen hat. Außer einer Menge geplatzter Adern ist hoffentlich nichts Schlimmes zu erwarten... So verbringen wir einen gemütlichen Abend bei Lagerfeuer und Bier mit Gesprächen ("Wetten, du kannst nicht jede Unterkunft in der wir waren in richtiger Reihenfolge aufzählen?") und später damit, die Lichter der Kletterer, die mehrere Tage lang in der Wand sind in der Dunkelheit zu finden. Einfach eine besondere Stimmung hier!

 

Upper & Lower Yosemite Falls

Für den heutigen Tag haben wir uns wieder einen besonderen Hike heraus gesucht: es geht zu den Yosemite Wasserfällen. Die Wanderung an die Kante des Upper Yosemite Fall gehört zu den anstrengendsten Touren, die man im Yosemite Valley unternehmen kann - immerhin gilt es, auf einem 6 Kilometer langen Anstieg ca. 800 Höhenmeter zu überwinden. Belohnt wird man dafür mit herrlichen Ausblicken und natürlich der unmittelbaren Nähe zu einem der höchsten Wasserfälle der Erde. Allein der obere Teil der Yosemite Falls zählt mit seinen 440 Metern zu den Top 20. Insgesamt kommen die Yosemite Falls auf 739 Meter und sind damit die höchsten Fälle Nordamerikas und Nummer sechs weltweit. Allerdings nur im Winter und Frühling. Im Sommer trocknen die Yosemite Falls komplett aus. Schon allein deshalb ist das Frühjahr die einzig sinnvolle Jahreszeit für diese Wanderung. Und was für ein Zufall, dass wir genau jetzt hier sind! Übrigens ist der Trail einer der ältesten im Nationalpark und wurde schon zwischen 1873 und 1877 angelegt.

Der eigentliche Beginn der Wanderung ist am Camp 4, Haltestelle Nummer 7 des Shuttle-Busses. Einen Parkplatz gibt es hier nicht, man kann das Auto aber in der Nähe an der Yosemite Lodge abstellen. Wir parken auf dem großen Parkplatz am Village und spazieren die Meile zum Trailhead. Zum warm machen sozusagen. Die Wanderung geht in steilen Serpentinen sofort von null auf hundert. Der Weg ist schattig aber sehr steinig. Das gute am steilen Aufstieg ist natürlich, dass man schnell Höhenmeter macht und bald tolle Ausblicke in das Tal genießen kann. Wie eine Schlange windet sich der Merced River durch die Wiesen, wie Spielzeug sehen bald die Autos auf der Straße aus. Nach einer Meile, auf der man schon gut 300 Höhenmeter gewonnen hat, ist der Columbia Rock erreicht, ein schöner Aussichtspunkt. Hier werden wir schon mit einer spektakulären Sicht über das Tal, den Half Dome und Sentinel Rock belohnt. Wow, wie muss das ganze wohl von ganz oben aussehen?!

Wie eine Erlösung führt der Weg danach ein kurzes Stück bergab - wenn man nur nicht wüsste, dass man alles, was man runter läuft, auch wieder hinauf muss....Es folgt ein weitgehend ebener Abschnitt der direkt an den Fuß des Upper Yosemite Fall führt. Die Ansicht der tosenden Wassermassen ist einfach atemberaubend - und unfassbar laut! Würde man es nicht besser wissen, würde man denken, man stünde auf der Startbahn eines Flughafens neben einem Airbus A380. Es grollt und donnert, man spürt sogar die Vibration im Boden. In der Nähe der Gischt ist es auch spürbar kühler. Wir legen eine Snackpause ein und genießen die Szenerie. Wer nur mal den optimalen View Point für den Wasserfall gesucht hat, kann hier wieder umdrehen.

Der Gedanke kommt uns aber nicht. Auf dem anschließenden Wegstück trennt sich die Spreu vom Weizen: Wer hier weiterläuft, meint es ernst mit dem Wandern. Der Trail windet sich, einen Einschnitt zwischen den senkrecht aufragenden Granitwänden neben dem Wasserfall ausnutzend, auf ein Hochplateau. Serpentine um Serpentine machen wir unseren Weg immer weiter nach oben. Schließlich haben wir es geschafft.

Erleichtert schlendern wir die letzten Meter bis zur Stelle, an der der Yosemite "Creek" über die Kante stürzt und 440 Meter tiefer in einer Nebelwolke aufschlägt. Mit Creek, also Bach, hat das hier allerdings denkbar wenig zu tun. Dann folgt eine Serie kleinerer Wasserfälle und Stromschnellen, die aus der Ferne kaum zu erkennen sind. Die Kaskaden haben eine Fallhöhe von 206m. Anschließend folgen die 98m hohen Lower Falls, bevor das Wasser im Tal in den Merced River fließt.

Hier oben gibt es eine Art natürliche Besucherplattform, auf die in den Felsen gehauene Stufen führen und an der man sicherheitshalber auch noch Eisengeländer angebracht hat. Für arg Höhenängstliche ist das hier aber nichts. Komischerweise scheint Natze diese vergessen zu haben. Kein Wunder bei diesem Spektakel.

Hier oben treffen wir einen Kanadier wieder, den wir während des Weges schon getroffen haben. Er erzählt uns, dass er vor zwei Wochen schon hier war, die Wasserfälle aber noch nicht so voll waren wie jetzt. Und nun ist er wieder hergekommen und hat auch endlich den kompletten Weg nach oben gemacht.

Die Brücke am Yosemite Creek oberhalb des Wasserfalls. Da hinten kommt das ganze Wasser also her.

Als wir uns auf den Weg zurück machen fällt uns auf, dass der Merced River ganz schön angeschwollen ist und über das Ufer gelaufen ist. Das halbe Tal steht unter Wasser. Mit ein wenig Bauchschmerzen machen wir uns so schnell wie möglich nach unten, hoffen wir nämlich, dass unser Stellplatz nicht evakuiert werden musste. Doch vorher schauen wir uns noch schnell den Lower Fall an, so viel Zeit muss sein.

El Capitan

Tags darauf nehmen wir uns endlich Zeit, um mal eine geehörige Runde auf den Käptn zu glotzen. Natze ist hocherfreut. Für Domi ist das dann in etwa so, wie mit einem Dreikäsehoch wandern zu gehen. "Wann sind wir endlich daaaa?", "Können wir jetzt wieder geeehn?". Aber zu ihrem Horror setzt er sich hin und guckt. Endlich, nachdem so viele Filme, Gespräche und Geschichten in Kletterhallen und auf Leinwänden gezeigt und erzählt wurden: die Wand aller Wände, die berühmteste Granitroute, Tausend Meter nackter Fels. Mittendrin vereinzelte Kletterteams auf ihrem mehrtägigen Weg nach oben. Etwa in der Mitte befindet sich die berühmt-berüchtigte Route "the Nose", die fast durchwegs an einer hervorstehenden Kante entlang führt. Man muss sich das einmal vorstellen. Als in den 50er Jahren die erste Besteigung gelang, hat das ganze 47 Tage gedauert. Ein Jahrzehnt später, als die Ausrüstung bereits fortgeschritten war, gelang es einem Team in 7 Tagen. Trotzdem, immer noch eine ganze Woche! Mittlerweile klettern Hobbysportler die Route in drei bis vier Tagen. Und dann gibt es da die "Huber-Buam" aus Bayern, die DEN Speedclimbing-Film schlechthin gedreht haben und den Domi in seiner Kletter Hochphase sooft ehrfürchtig gesehen hat: Am Limit. Dort unterbieten sie einen Rekord und erklettern die Wand in 2:45h. Zwei. Stunden. Fünfundvierzig.

Was wir nicht wissen: Während wir uns im Yosemite aufhalten, fällt der Kletterwelt gerade die Kinnlade herunter, als Alex Honnold, ein 32-jähriger Profi aus Sacramento, die Nachbarroute Freerider am Capitan komplett Free Solo in nur drei Stunden und 56 Minuten erklimmt. Das bedeutet alleine, ohne Seil, nur mit seinen Kletterschuhen und dem Kalkbeutel am Leib. Das hatte sich bisher noch niemand getraut. Er war es auch, der zusammen mit Hans Florine den Rekord der Huber-Buam knackte und auf 2:23h verbesserte. TEUFELSKERL. Mehr ist dazu nicht zu sagen, die Bilder sprechen für sich.

 

Auf den letzten vier Fotos erst Honnold, dann die Huber-Buam.

Tolumne Grove

Nach einer ganzen Weile Staunen brechen wir auf und fahren den Fluss entlang bist zum "Tolumne Grove", einem günstigen Fleckchen Wald, in dem vor Tausenden von Jahren so genannte Sequoia Bäume sprießen konnten. Diese Mammutbäume werden durchschnittlich 50 - 85 Meter hoch und bis zu 6 - 8 Meter im Durchmesser. Was die Zahlen angeht, waren wir davon erst einmal kaum beeindruckt, denn man kann so etwas ja einfach schwer greifen. Aber wie sooft wird man schnell eines Besseren belehrt. Wir machen uns in ziemlich kaltnassem Wetter auf die Wanderung und staunen nicht schlecht, als wir den ersten, noch lebenden Baum erblicken. Hier in diesem Abschnitt des Parks gab es leider mehrere Waldbrände über die Jahrhunderte, somit sind diese uralten Riesen, von denen Forscher ausgehen, dass sie früher das Bild weiter Teile unserer Erde bestimmt haben, in Mitleidenschaft gezogen worden. Oder sie konnten sich nicht halten, nachdem sie wieder und wieder durch Erosion unterspült wurden. Der zweite, umgestürzte Baum, dessen Wurzel Domi gleich mal erklimmen will, ist so massiv, dass er im Inneren sogar eine Höhle über die gesamte Länge hat, durch die man als Mensch problemlos durch passt! Und natürlich finden wir auch den ikonischen Fotospot, der noch stehende, tote Baum, durch den eine Höhle gesägt wurde, um das Wachstum dieser Bäume genauer studieren zu können.

Auf einem Schild lesen wir, dass diese Bäume aus wenigen Millimeter kleinen Samen entstehen, die in Tannenzapfen mit der Größe einer Zwei Euro Münze stecken. Als wir daraufhin einmal genauer auf den Boden schauen, erblicken wir diese überall. Und wieder versetzt uns die Natur ins Staunen.

Yosemite, du haust uns um.

Natze & Domi



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