Nepal - Never end peace and love

Von Agra nach Pokhara


Um 21:50 Uhr soll unser Nachtzug von Agra nach Gorakhpur, dem Knotenpunkt für Nepalreisende, gehen. Bisher war die indische Bahn ja immer sehr zuverlässig, doch auch wir bleiben von einer Verspätung nicht verschont. So warten wir also, ohne zu wissen, wann der Zug kommt, denn die Ankunftszeit verschiebt sich auf der Anzeigetafel ständig nach hinten. Wir versüßen uns die Wartezeit mit Chai (was sonst), Keksen und unserer Lieblingsbeschäftigung: einfach die Inder in ihrem turbulenten Treiben beobachten.  Der Zug trudelt mit 2-stündiger Verspätung (wir hatten mit wesentlich mehr gerechnet) ein. Es ist knall voll! Wir kämpfen uns mit unseren dicken Rucksäcken durch die engen Gänge unseres Abteils, vorbei an Menschen, die in der billigsten Klasse keinen Sitzplatz mehr gefunden haben und nun hier überall sitzen, liegen oder schlafen, wo gerade Platz ist:  auf und zwischen den Gängen, unter den Liegen und sogar direkt vor den Toiletten. Wir sind froh, dass unsere Liegen wieder die obersten sind und schlafen durch bis zum nächsten Morgen.

Nach 14-stündiger Fahrt kommen wir also in Gorakphur an. Ab hier geht es nur noch mit dem Bus weiter. Raus aus dem Bahnhof und ab jetzt heißt es durchfragen! Wieder einmal sind wir verblüfft, dass die Inder in ihrem für uns scheinbaren Chaos doch den vollen Durchblick haben. Unter den unzähligen Bussen werden wir zu genau dem richtigen „weitergereicht“, der just in diesem Moment abfährt. Domi besorgt noch schnell Futter, Natze läuft neben dem Bus her und bittet den Fahrer noch kurz zu warten. Stehenbleiben ist nicht, er fährt in gemächlichen Tempo weiter, also schnell hinterher gerannt und wir springen während der Fahrt noch dazu. Scheint hier so üblich zu sein, denn ein Inder packt uns an den Armen und hilft uns hinein. Drei Stunden Hopsfahrt nach Sunauli, dem indischen Grenzort, stehen uns bevor. 

 

Hier müssen wir uns erstmal aus Indien abmelden, muss ja alles seine Richtigkeit haben. Leider ist das „Immigration Office“ aber nicht direkt vorne an der Grenze, wäre auch zu schön gewesen. Also 20 Minuten mit Sack und Pack zurücklaufen, abmelden und wieder Richtung Nepal laufen. Der nächste Ort ist Bhairawa, dieser grenzt direkt an Sunauli an und zwischendrin steht einfach nur ein Torbogen, der dich jetzt in Nepal begrüßt. Die Nepalesen machen es geschickter, da befindet sich die Visastelle direkt an der Grenze. Ein Passfoto und 40USD ärmer dürfen wir uns ab jetzt maximal 30 Tage in Nepal aufhalten. Den Plan, die Nacht erstmal an der Grenze zu verbringen und am nächsten Morgen die 8-stündige Fahrt nach Pokhara auf uns zu nehmen, werfen wir direkt über Bord, als wir hören, dass jetzt noch immer ein Bus geht. Mittlerweile ist es fast halb 8 Uhr Abends und wir sind in Reiselaune. Wir suchen wieder einmal den Bus, sind erstaunt, dass die Busse hier sogar mit dem Zielort beschriftet sind und so ist der richtige leicht gefunden. Schon wollen wir direkt einsteigen und werden vom Fahrer nach dem Ticket gefragt. Hä?! Ticket?! Gibts das nicht im Bus , so wie in Indien?! Nein. Willkommen in Nepal, hier gibt es einen Ticketschalter UND zugewiesene Sitzplätze. Wir können es nicht fassen und müssen grinsen. In die letzte Reihe werden wir hineingequetscht; lange Beine in Nepal sind wirkllich von Nachteil. Bequem ist anders, aber wir nehmen es mit Humor. An Schlafen ist kaum zu denken, weniger wegen der unmöglichen Schlafposition, eher wegen den unebenen, nicht asphaltierten Straßen und den durchgelutschten Stoßdämpfern des Busses. Dank denen werden wir bei jedem Schlagloch unvermittelt in die Höhe katapultiert. Aus einer gedachten und erhofften achtstündigen Fahrt wird dann doch eine 12 stündige... So kommen wir endlich nach 33 Stunden Anreise von Agra in Pokhara an. Den Tag verbummeln wir mit ausruhen, schlafen und essen.

Pokhara


Das erste was uns in Pokhara auffällt sind die sauberen Straßen und die reine Luft. Es ist schön wieder einmal richtig durchatmen zu können. Doch leider kommt das nicht von ungefähr. Die Seeseite, Lakeside, ist eine richtige "Touristenhochburg". Pokhara wird gerne als Ausgangspunkt zum Trekken genutzt, da man sich von hier aus am bequemsten ins Himalaya Gebirge aufmachen kann. Dementsprechend ist es hier auch verhältnismäßig teurer und das Essen auch eher auf den westlichen Gaumen ausgerichtet. Wir vermissen jetzt schon die kleinen indischen Garagenküchen.

Am Abend lernen wir 'Sigi' kennen, ebenfalls Deutscher, der auf 14-tägiger Geografie-Exkursion mit seiner Uni war und jetzt hier noch ein paar Tage abhängt. Abhängen kann man hier tatsächlich gut, was wir die kommenden Tage konsequent durchziehen. Am nächsten Tag machen wir uns mit ihm zu einer 3-stündigen Wanderung zum World Peace Pagoda auf. Dieses Friedensmahnmal ruft als eines von vielen in Nepal und Indien zum friedlichen Miteinander aller Religionen auf. Während dem Fußmarsch auf den Hügel haben wir gleich mal unsere Kondition für die bevorstehende Trekkingtour und die Blutegelresitenz getestet. Die Lunge macht bei uns beiden gut mit und unser Blut ist jetzt auch gereinigt.

Für die kommenden Tage mieten wir uns einen Roller und erkunden die Umgebung auf eigene Faust. Natürlich klappern wir zuerst die markierten Sehenswürdigkeiten ab, man wil ja nichts verpasst haben. Hinterher ist man immer schlauer und unser Fazit: Der heiß angepriesene Devi-Wasserfall ist wohl hauptsächlich wegen seiner Geschichte dahinter bekannt und der Gopeshwahr-Tempel beeindruckt auch nur durch seine Wendeltreppe. Also werfen wir die Karte über Bord und streifen ohne Plan durch die Straßen, immer der Nase nach. Wir fahren Serpentinen hoch und runter, vorbei an abgelegenen Seen und kleinen Dörfern und bleiben stehen wo es uns am besten gefällt. 

Dank unseres fahrbaren Untersatzes können wir unsere Trekking-Erlaubnis, das sogenannte TIMS und das ACAP-Permit für das Annapurna-Gebiet, auf direktem Weg mitnehmen.

Zum Sonnenaufgang am Poon Hill

Pokhara - Nayapul (1025m) - Ulleri (1960m)


Gut, dass wir einen Großteil unseres Gepäcks im Guesthouse einlagern können, so machen wir uns mit abgespeckten und wesentlich leichteren Rucksäcken bei Sonnenaufgang mit dem Bus auf nach Nayapul. Von hier aus starten wir unsere 4-tägige Trekkingtour durch das Himalaya-Gebirge, genauer gesagt im Annapurna Gebiet. Hier liegt der Aussichtspunkt Poon Hill auf 3210 Meter. Unser Ziel: die aufgehende Sonne hinter dem Annapurna South zu erleben. Noch schnell ein stärkendes Frühstück, bevor wir aufwärts durch eine wunderschöne Hügellandschaft, gesäumt von grünen Feldern und durchzogen von einem reißenden Bergfluss, laufen. Obwohl es erst früh am Morgen ist, spüren wir die brennende Sonne und kommen direkt ins Schwitzen. Da machen es sich die Chinesen schon wesentlich einfacher: in Jeeps lassen sie sich die erste Strecke hoch kutschieren und winken uns fröhlich beim Vorbeifahren zu. Wir beneiden sie kein Stück, und sind froh, dass wir die ersten 2 Stunden des Weges so gut wie für uns alleine haben. Einzig allein den vielen Bergziegen, die aufgrund des Dashain Festes hinab bis nach Pokhara getrieben werden, und ihren Hirten müssen wir immer mal wieder Platz machen. Wir überqueren wacklige Hängebrücken und kommen im kleinen Dorf Tikhedhunga (1577m) an. Ab hier warten tausende Treppenstufen, die sich über 800 Höhenmeter am Berg entang schlengeln, auf uns. Die Stufen sind eine echte Qual und wir laufen im gefühlten Schneckentempo die ersten 400 Höhenmeter bis nach Ulleri, wo wir die erste Nacht in einem charmanten Zimmer mit traumaftem Blick verbringen. Unser erster Gedanke gilt einer Dusche und wir werden positiv überrascht: es gibt nämlich heißes Wasser! Wir haben uns auf Schlimmeres eingestellt. Wir genießen noch ein wenig die Ruhe, bevor auch die nicht zu überhörenden Chinesen eintrudeln (wann haben wir die bitte überholt?!). Bald lassen wir uns in das himmlische Bett fallen, zumal wir doch leicht geschafft sind und morgen wieder früh durchstarten wollen.

Ulleri (1960m) - Ghorepani (2874m)


Von Muskelkater und schweren Beinen bleiben wir Gott sei Dank verschont und fühlen uns erstaunlich fit. Die letzten steilen Steinstufen meistern wir mit Leichtigkeit, ziehen sogar an anderen Trekkern mit persönlichem Sherpa (Gepäckträger) vorbei. Die Aussicht auf die hohen Berge rundherum, die meckernden Ziegenscharen und die duftenden Rhododendron-Wälder lassen uns die Anstrengung so gut wie vergessen. Gerade noch rechtzeitig kommen wir vor dem Regenschauer in unserer Unterkunft in Ghorepani an. Hier oben auf über 2800 Höhenmetern ist die Luft deutlich kälter und so wärmen wir uns bei einer Außentemperatur von etwa 6 Grad am Holzofen. Das Abendpanorama entschädigt die eiskalten Füße. Die Wolken verziehen sich und geben einen bombastischen Blick auf die Achttausender vor uns frei: den Dhaulagiri (8167m), Annapurna I (8091m) und den "kleineren" Annapurna South (7219m).

Ghorepani (2874m) - Poon Hill (3210m) - Ghandruk (1939m)


Morgens um 4 Uhr stehen wir auf. Draußen ist es noch stockdunkel. Wir ziehen mehrere Klamottenschichten übereinander, setzen unsere Stirnlampen auf, schieben uns einen Riegel zwischen die Zähne und legen die letzten Höhenmeter in einer guten halben Stunde zurück. Wir haben unser Tempo wohl doch unterschätzt und sind als Erste am Gipfel. Mitten in den Wolken haben wir jetzt schon so eine Vorahnung, dass uns der Blick auf die Berge heute verwehrt bleibt. Unsere Finger wärmen wir an je einer heißen Tasse Kakao und Hot Lemon und sehen dabei zu, wie sich die betonierte Plattform mit immer mehr Menschen füllt. Die Wolken bleiben auch nach Sonnenaufgang hartnäckig, also lieber schnell runter und frühstücken, um später nicht im Mob trekken zu müssen. Der Pfad Richtung Ghandruk ist traumhaft: Wir begegnen schwer bepackten Eseln, Wildpferden und herumhängenden Affen, streifen an unzähligen Wasserfällen und glitschigen Flussläufen vorbei, stolpern über dicke Wurzeln und durchqueren wildgewachsene, subtropische Wälder, die uns an das Dschungelbuch erinnern. Da macht es auch nichts, dass wir ab der Hälfte unserer Strecke von Regen begleitet werden. Nass und leicht durchgefroren kommen wir bei Jaman und seiner Familie an. Ihr Gasthaus besteht aus einer einfachen, häuslichen und originalen Unterkunft mit ledigich drei Gästezimmern. Genau so etwas wollten wir schon die ganze Zeit: bei den Locals wohnen und weg sein von den anderen Touristenmassen. Weit weg sind hier übrigens auch die lauten Chinesen, die sich lieber in einer großen Unterkunft weiter unten in Ghandruk einmieten, wo sie "WIFI" haben. Mit einem breiten Grinsen werden wir von der Ehefrau herzlich empfangen, bekommen das leckerste Dal Bhat, das wir in ganz Nepal gegessen haben (das ganze Gemüse wurde im eigenen Garten angebaut und sogar der Reis kommt von den Feldern, die  überall um uns herum sind) und lauschen gespannt den abenteuerlichen Reisegeschichten unseres Gastgebers. 

Ghandruk (1939m) - Nayapul (1025m) - Pokhara


Der letzte Tag geht hauptsächlich nur noch bergab. Wer denkt, dass das einfacher ist, der irrt. Die Waden und Knie schmerzen noch vom Vortag. Da wünschen wir uns manchmal sogar lieber die steilen Steinstufen zurück. Aber dafür wird es immer wärmer, je weiter wir nach unten gehen. Wir sind dann doch ein bisschen dankbar, als wir endlich unten ankommen, in den Local-Bus steigen können und nicken auf der zweistündigen Rückfahrt nach Pokhara ein bisschen weg.

 

Natze & Domi