Las Vegas - The living dead

Unsere Reise führt uns runter vom wunderschönen Zion Plateau entlang des Virgin River, der in der Schlucht vor dem Ziontal entsteht. Der Fluss ist voller Leben, randvoll und wie eine grüne Ader mitten durch die öden und felsigen Täler der Sierra Nevada. Es ist jetzt Ende April und die Schneeschmelze im Westen Amerikas soll dieses Jahr Rekorde brechen, also ist dieser Anblick ein besonders gutes Timing. (Als wir auf unserem Rückweg zwei Monate später den gleichen Fluss entlang fahren, ist dieser nur ein winziges Rinnsal, ohne jegliches Grün an den Ufern...). Der heutige Roadtrip ist wohl ein sehr klassisch amerikanischer: es geht kurvig stets abwärts durch die riesigen Täler und kaum verlassen wir diese, geht die Straße unendlich weit gerade aus, Las Vegas im Visier. Mit dem spärlichen Netz, das man hier in der Pampa weitab der Städte bekommt, suchen wir uns Übernachtungsoptionen in und um die Stadt. Ganz schön irrwitzig, mit unserem Budget in dieser Stadt des Geldes. Wir fahren über die letzte Kuppe vor der Stadt und sehen nichts als rotes, verbranntes Ödland um die riesige Stadt. Außer am Strip gibt es kaum hohe Gebäude, es sieht aus als hätte jemand eine riesige Kiste Lego in einen Sandkasten geschüttet. Warum würde man eine so große, rohstoffabhängige Stadt genau dahin bauen, wo es nichts gibt? Etwas zweifelnd fahren wir den letzten Hang hinunter bis an die Stadtgrenze. Wir vermissen jetzt schon die Berge.

 

 

Da wir uns ein paar Übernachtungs Favoriten rausgesucht haben, müssen wir uns die nun vor Ort ansehen. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns für den zentralsten "Campground", falls man das so nennen darf. Ein umzäunter Betonparkplatz schräg unter dem auf Säulen verlaufenden Highway, direkt gegenüber einer Feuerwehrstation und ohne Schatten spendende Bäume. Klingt gemütlich? Absolut. Aber von hier aus können wir ohne großen Aufwand in das Zentrum der Stadt und ein Security sorgt auch für das Wohl unserer Peggy.

Unser erstes Ziel ist die Fremont Street, der ursprüngliche Casino Strip in Vegas. Manche kennen vielleicht das ikonische Bild der ZipLine, die unter dem runden Glasdach der Straße entlang führt. Genau das kannten wir auch. Als wir aber um 2 Uhr mittags dort aufschlagen, sind wir erstmal angewidert. Die Bars laufen auf Hochtouren, überall lungern gestrandete Zocker mit Schildern wie "Lost all i've bet, need some more to win it back!", "Your dollars to make me great again!" oder die dicke Oma im Rollstuhl, die führ die eklige Sensation "Granny Boobs" ihr Oberteil für Fotos abgelegt hat und um Geld bettelt. Was für ein widerliches Niveau. Generell sind hier alle stark besoffen, die Luft stinkt nach Drogen aller Art und die meisten Latinos im Thug-Style haben gut sichtbar ihre Handfeuerwaffen im Gürtel stecken. Im Vollrausch. Ganz großes Kino. Wir hätten nicht gedacht, dass wir uns in jedem beliebigen Land Asiens tausend Mal sicherer fühlen würden als in den USA. 

 

 

 

 

Wir trinken noch einen (BRUTAL ÜBERTEUERTEN) Kaffee im Starbucks, und laufen!!! zum eigentlichen Strip. Ja, vielleicht nicht die beste Idee in Amerikas Super Sized Cities, aber man will die Stadt auch mal außerhalb der Blase kennenlernen! Los geht's, drei Kilometer entlang der viel befahrenen Hauptstraße, was für ein Charme. Unterwegs packt uns der Hunger, etwas kostengünstiges muss her. Einzige Lösung außerhalb der nicht so fantastischen Dinerszene sind leider Fastfood Läden. Gut, dass es die hier an jeder Ecke gibt. Das Glück ist irgendwie nicht auf unserer Seite und so finden wir auch hier wieder eine ganz tolle Ansammlung an mental echt fragwürdigen Menschen vor. Oder ist es einfach Vegas' "echtes" Gesicht? Hoffentlich nicht. Natze ist ganz perplex und eingeschüchtert, da ihr das neu ist: Als sie vor 10 Jahren bereits schon mal hier war, war ihr einzig negativer Eindruck die brennende Hitze, nicht aber diese ganzen Verrückten! Lieber schnell weiter zum Strip, Glamour awaits!

Gesagt getan. Etwas abseits der hohen Casinos glitzert golden der einsam stehende Trump Tower, aus unserer Sicht hinter einem brachen Baugrund voller Schmutz und Schotter. Wir grinsen kurz, was für eine gute Perspektive. Let's make America great again! Fang erstmal bei dir selbst an, Donny. Die Casinos schmücken sich mit schillernden Fassaden, riesigen Werbebildschirmen und einladenden Hostessen. Wir stürzen uns in die klimatisierte Kette der Spielhallen, die alle nahtlos miteinander verbunden sind. Schlagartig befinden wir uns in einer anderen Welt. Türsteher und gut gekleidete Securities sorgen für Ordnung unter den authentischen Cowboys im Goldrausch und den bunt (und sehr spärlich) gekleideten Proll-Touristen, die ihre nahezu einen Meter langen Frozen-Daiquiri Kelche in neongelb und pink schwankend zur Schau tragen. Generell geben diese Sorte Kunden dem Wort "schwanken" eine gänzlich neue Bedeutung. Überall rattert, klingelt, rauscht und klappert es, hier ein zorniger Ausruf, da ein glückliches Quieken und mittendrin nehmen drei Sicherheitsleute einen Betrüger auseinander. Ja, hier wird wirklich jeder Stereotyp bedient. Wir machen unseren Weg vom Venetian über den Caesars Palace ins Bellagio, wo wir in der Abenddämmerung die Wassershow zu "Con Te Partiro" bestaunen. Kann was!! Genau wie die Kids, höchstens 12 Jahre alt, die direkt danach ein Danceoff auf dem Bürgersteig veranstalten. Ergänzend kommen dann noch drei Darth Vaders, sieben Spidermen, unzählige Batmen und ein obligatorischer Spongebob die Straße entlang, alle im Wetteifer um das best gebastelste Kostüm mit der Hoffnung auf gewinnbringende Schnappschüsse mit naiven Touristen. Danke Jungs und Mädels, fünf Dollar für ein Foto mit Spongebob in Lebensgröße hat Domi sich in LA schon geleistet, das muss reichen.

Also machen wir uns auf den Weg zurück zu unserem charmanten Nachtlager, diesmal aber im Bus. Nachts müssen diese Gestalten wirklich nicht sein. Kurz vor der Fremont Street werden wir wieder rausgeschmissen und haben noch einmal die Ehre, diesen Anblick zu erleben - scherzhaft bringt Natze kurz vor Ende der Spaßmeile noch den Spruch: "Man kommt sich hier manchmal echt vor wie am Set der 'Walking Dead' Serie!", und kaum biegen wir auf unsere Straße ab, treten uns zwei hinkende, stinkende, sprichwörtlich sonnenverbrannte Junkies in falsch herum angezogenen T-Shirts mit leeren, verlorenen Blicken entgegen. Das Timing der Situation ist so dämlich, dass wir uns ernsthaft erschrecken, aber das merken die zwei Zombies gar nicht. Kopfschüttelnd beschleunigen wir unseren Schritt, schlagen kurz darauf die Tür unserer treuen Peggy hinter uns zu und beschließen, dass wir uns dieses Loch nun wirklich nicht drei Tage am Stück antun müssen. Der Plan steht kurz darauf, wir machen uns morgen auf in Richtung Death Valley. Jetzt heißt es nur noch, eine heiße Nacht neben einer Feuerwehrstation so schnell wie möglich rumzukriegen und dann nichts wie los!

Was zu Las Vegas zu sagen bleibt, ist hauptsächlich Unverständnis. Wer würde ernsthaft in so einer, in jeder Hinsicht, unwirtlichen und unwirklichen Umwelt seine Kinder aufwachsen sehen wollen!? Und, es ist erschreckend, was das Sinnbild des Kapitalismus gepaart mit unkontrollierter Drogenpolitik und einem fehlenden Krankenversicherungsapparat mit Menschen macht. Vegas, du magst schillern, aber du bist schon lange tot. Hoffentlich müssen wir hier nie wieder hin!

Natze & Domi



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