Die Tempel von Angkor - Groß, größer, Angkor

Endlich ist es soweit. Domi ist in Siem Reap angekommen und am nächsten Tag machen wir uns direkt zu den Tempeln von Angkor auf. Wie lange haben wir darauf gewartet diese historische Stätte erkunden zu dürfen. Wir lesen uns in die Geschichte und den Fall dieser riesigen Stadt ein, die in ihrer Blüte im 15. Jahrhundert dreimal so viele Einwohner hatte wie Europas größte Metropole, London. Und tatsächlich merken wir auf der Landkarte, dass wir die Ausmaße Angkors völlig unterschätzt haben. Siem Reap liegt direkt südlich von dem Haupttempel Angkor Wat. Von dort aus kann man 75km bis zum äußersten Tempel der damaligen Stadt nach Osten fahren, der noch nicht einmal die Stadtgrenze bezeichnete. Das übertrifft die heutige Fläche mit New York City inklusive Außenbezirke. Erst vor wenigen Monaten haben Wissenschaftler durch eine hochauflösende Wärmekamera, die an einem Satelliten befestigt war, herausgefunden, dass nicht jeder Tempel von Angkor eine einzelne Siedlung um sich hatte. Sie haben unzählige Häuserruinen gefunden, die heute von Erde und Dschungel überlagert sind und eine komplett zusammenhängende Stadt ergaben.

Da kann man schon mal ins Staunen kommen. Und gut, dass Domi noch sein Motorrad hat. Die Verbindungen zwischen den heute noch vorhandenen Ruinen sind gut ausgebaut, dennoch sieht man hier ohne fahrbaren Untersatz oder sehr viel Zeit nicht viel außer Bäume.

Zuerst einmal müssen wir an Tickets kommen. Drei Tage Besucherzeit wurden uns in Laos von einer Reisebekanntschaft ans Herz gelegt, denn an einem Tag kann man kaum etwas sehen und das 7-Tage Ticket kommt uns dann doch leicht übertrieben vor. Dumm nur, dass wir unsere Besichtigung drei Tage nach einer saftigen Preiserhöhung starten. Hatte das drei Tage Ticket bis Anfang Februar noch 40$ gekostet, sind es jetzt 62$. Das schmerzt ziemlich in der Reisekasse, aber wenn man schonmal in Siem Reap ist... Also nichts wie hin zum Ticketschalter, aber wo ist der eigentlich? Wir lassen uns von Maps.Me, wie sooft, erstmal zum falschen Ort leiten und folgen dann einfach der Masse an TukTuks zum Schalter, oder besser gesagt Tickethaus. Naja eher Ticket-Komplex-Gebäude. Von Fahrrädern über Taxis, TukTuks und Reisebussen gibt es hier alles und das Innenleben des Gebäudes erinnert eher an einen Flughafenschalter in Indien. Hier ist wirklich jede Nation vertreten. Ohje, hoffentlich kann man bei diesen Massen den Besuch der Tempel überhaupt genießen!? Nachdem wir endlich in der richtigen Schlange stehen (lesen will gelernt sein...) machen wir uns eine Stunde später schnell auf, um aus der Masse zu kommen.

Der Nationalpark um die Ruinenstadt ist penibel gepflegt und besteht aus uralten Nadelbäumen und Palmen. Man fährt gleich als erstes direkt auf das Wasserbecken, das Angkor Wat umgibt, zu. Wir entscheiden uns, die Hauptattraktion bis kurz vor Ende aufzusparen und biegen rechts ab, in Richtung Banteay Kdei.

Der Kartenauszug zeigt das "Zentrum" der Stadt, direkt nördlich von Siem Reap. Die acht markierten Tempel haben wir uns in drei ganzen Tagen angesehen. Dort, wo das Flugzeug eingezeichnet ist, hat tatsächlich ein internationaler Flughafen Platz und das (von Menschenhand geschaffene) Wasserreservoir nördlich davon ist so endlos, dass man von der Ostseite noch nicht einmal das westliche Ufer erkennen kann. Die ganze Stadt verfügte über ein ausgeklügeltes System von Bewässerungskanälen, die heute keine Funktion mehr haben. Archäologen gehen davon aus, dass der verbockte Ausbau dieser nach der Eroberung durch die Hindus der Grund war, warum die Bevölkerung fluchtartig die Stadt verließ und nur wenige Mönche die wichtigsten Tempel vor dem Verfall und dem Dschungel bewahrten.

Banteay Kdei

Banteay Kdei ist einer der weniger besuchten Tempel im Angkor Archaeological Park.

Im 12. Jahrhundert wurde der Hinduismus als Staatsreligion durch den Buddhismus abgelöst. Banteay Kdei gehörte zu den ersten Tempeln, die von Anfang an als buddhistischer Tempel entstanden. Wie viele andere Tempel geriet Banteay Kdei ab dem 13. Jahrhundert in Vergessenheit und wurde vom Dschungel übernommen. Erst im 20. Jahrhundert begannen japanische Archäologen, den Tempel wieder freizulegen.

Ta Prohm, der Tomb Raider Tempel

Auf diesen Tempel haben wir uns besonders gefreut. Wer will sich nicht wie Lara Croft fühlen und im tiefen Dschungel durch den Tempel streifen. Leider hat die Filmindustrie wieder gute Arbeit geleistet und den Tempel imposanter und verwilderter wirken lassen. In Wahrheit liegt er nämlich gar nicht mitten im Dschungel und der berühmte Anblick, den man im Kopf hat, will auch nicht ganz so massiv erscheinen. Hinzu kommt, dass man leider nicht der Einzige hier ist und man Mühe hat, ein Foto ohne fremde Köpfe darauf zu schießen. Wenn man sich aber von seiner Hollywood-Vorstellung verabschiedet, dann ist der Tempel eine riesen Wucht. Ta Prohm ist nicht restauriert oder instand gesetzt worden so wie Angkor Wat oder Bayon. Der Tempel ist in seinem „ursprünglich“ zerfallenen Zustand geblieben. Überall liegen Steinquader herum - Möchtegern-Abenteuer pur! Wie zu Kindeszeiten in der Ruine herum springen! Die Blöcke, die noch aufeinander stehen, scheinen jeden Moment in sich zusammenzubrechen, der Anblick ist faszinierend und die Natur scheint den Tempel verschlingen zu wollen. Überall wachsen Wurzeln von überdimensional großen Bäumen über das Gestein und erobern Stahlgerüste, die installiert wurden, um die letzten Reste des Tempels nicht auch noch in sich zusammenbrechen zu lassen

Pre Rup

Kein Tempel gleicht hier in seiner Bauweise dem anderen. Dieser erinnert mit seiner Pyramidenform an Bilder aus Südamerika. Der steile Aufstieg auf den schiefen Stufen wird durch einen tollen Blick über die Baumspitzen des Angkor-Geländes belohnt.

In den kleinen Eckhäußchen auf der oberen Plattform finden wir blumengeschmückte Altare und können uns bildlich vorstellen, wie sich hier wohl ein Priester bei seinen Opfergaben über einer faszinierten Menge an Zuschauern gefühlt haben muss! Hollywood-reif, oder eigentlich besser!

Neak Pean

Schon der Weg zum Tempel hat großen Charme. Von der Straße aus muss ein Holzsteg, der ebenerdig über dem Wasser verlegt ist, passiert werden, um die künstliche Insel zu erreichen, auf der Neak Pean liegt. Anhand dieser Bilder lässt sich das Ausmaß von den anderen Wasserbecken oben auf der Karte sehr gut veranschaulichen. Dieser See ist mit der kleinste der abgebildeten und immer noch riesengroß! Leider ist der eigentliche Tempel für Besuche gesperrt, was wahrscheinlich an seiner winzigen Größe und dem riesen Besucherandrang liegt. Dennoch kann der Anblick richtig was und gerade die Menschenleere hinter der Absperrung macht es noch authentischer.

Preah Khan

Den Preah Khan Tempel hat Natze irgendwann auf der Reise als einen Tipp von einem anderen Traveller bekommen und sich sofort bei Maps.Me makiert. Gut, dass sie dass gemacht hat, denn dieser Tempel ist unser persönliches Highlight! Wir verstehen gar nicht, warum man von diesem Tempel nicht so viel hört, gefällt uns dieser hier doch wesentlich besser als der gehypte Tomb Raider Tempel. Sehr ähnlich wie dort überwuchern auch hier massive Bäume die Anlage. Und das beste: Wir sind hier quasi alleine! Endlich können wir durch die zerfallenen Säulengänge stöbern, in versteckte, geheimnisvolle Räume klettern und der Fantasie freien Lauf lassen, ohne einer Bande quietschender Chinesen mit noch lauterem Guide zu begegnen!

Angkor Wat

Endlich geht es zum Haupttempel, Angkor Wat itself, Godfather of all Temples. Der einzig wahre Angkor Wat, Tempel aller Tempel. Der ganze Stolz der Khmer, der UNESCO und überhaupt der ganzen Welt! Die weltweit größte Ansammlung von totem Gestein ever. Bringt wiederum eines mit sich…unheimlich hohe Erwartungen. Seit Beginn unserer Reise freuen wir uns auf genau diesen Moment und sind aufgeregt wie kleine Kinder zu Weihnachten. Jeder kennt dieses berühmte Bild von Angkor Wat: Im Vordergrund der Seerosenteich mit der einzelnen, kahlen Palme und dahinter die riesige Schönheit. Und wie es wohl erst innen drin aussehen mag?! Wir passieren den Eingang zur Tempelanlage zwischen den zwei stehenden Gewässern und .... die erste große Enttäuschung. Der Tempel ist nicht so monströs, wie wir erwartet haben. Auf den vielen in Stand gesetzten Bildern kann man die Ausmaße von Angkor schlecht einschätzen. Und trotzdem: Gerade durch die Restaurierung und die gute Pflege (ahh, jetzt machen 62$ Sinn!) fühlt man sich in der Zeit zurückversetzt. Solange man die Touristen ausblenden kann. Da wir uns ganz geschickt wie immer die pralle Mittagshitze für den Besuch ausgesucht haben (ja ganz toll), bleiben wir vor den Reisebussen voller Besucher verschont. Bis man von dem Wassergraben beim Tempel selbst ankommt, muss man eine gute Viertelstunde durch das quadratische Areal laufen. Der Aufbau der Anlage erinnert uns stark an die des Taj Mahal und tatsächlich hat hier der Hinduismus auch eine bedeutende Rolle gespielt.

Innen hat der Angkor Wat wenig Abenteuer zu bieten. Die Räume und Decken sind gepflegt und sehr gut restauriert, es gibt endlose Säulengänge und innerhalb der bereits höher gelegenen äußeren Türme gibt es zwei weitere Stockwerke, die sich quadratisch zur Mitte steigern. Natürlich würde sich an so einem Ort ein Guide lohnen, doch die Preise sind leider unverschämt. So laufen wir an vermeintlich wichtigen Skulpturen vorbei , immer weiter nach oben, in Richtung mittlerem Turm. Einige Dinge sind dann doch sehr offensichtlich, wie die Wasserbecken in den großen, nach oben offenen Atrien und die steinernen Opferaltare, die sogar einen seitlichen Blutabfluss aus Stein besitzen. Na hoffentlich waren es nur Tiere.  Domi muss den Weg in die Turmspitze alleine antreten, da Natze, trotz des umgebundenen Schals zu "freizügig" für den Buddha wäre. Die Chinesinnen in ihren Miniröcken scheinen aber kein Problem für den Ticketkontrolleur darzustellen....

Bayon

Bayon zeichnet sich durch die beeindruckend großen, in den Tempel eingearbeiteten, Gesichter und die ausgeprägten Steinarbeiten aus. Lebensgroße Statuen weisen uns den Weg zum Tempel, wo 54 Türme 216 lächelnde Gesichtsbildnisse der Bodhisattva, das „Erleuchtungswesen“, präsentieren. An den meisten Türmen sind mehrere Gesichter zu finden, die in alle vier Himmelsrichtungen zeigen. Der buddhistische Tempel wurde leider später von den Hindus größtenteils beschädigt und viele der Gesichter und Statuenköpfe wurden zerstört und abgeschlagen, um die "Gotteslästerungen" zu beseitigen. Wir finden aber, dass gerade dadurch ein absolut einmaliger Anblick entsteht, der uns dort lange in den Bann zieht.

Baphuon

Direkt vom Bayon Tempel geht es einen kleinen Pfad durch einen Wald, in Richtung Baphuon Tempel. Auf dem Weg dorthin begegnen wir vielen frei laufenden Affen, die uns teilweise mehr faszinieren als die Tempel :-D (Sagt zumindest Natze!)

Über einen knapp 180 Meter langen, steinernen Steg geht es zum Eingang des Tempels. Die Tempelpyramide mit ihrem Turm überragt in etwa 30 Metern Höhe das umliegende Areal und bietet deshalb faszinierende Ausblicke. Den Blick muss man sich aber erstmal erkämpfen. Der Tempelberg besteht aus insgesamt vier Galerien. Unterhalb der vierten Galerie befindet sich ein liegender Buddha, der erst im 14. Jahrhundert nachträglich errichtet wurde. Der höchste Punkt, die spitz zulaufende, fünfte Etage ist eigentlich gesperrt und gerade deswegen so verlockend, dass sich Domi in einem unbemerkten Moment über die Absperrung schwingt, die paar dutzend Treppen hinauf eilt und oben vier leere Türstöcke und eine bombastische Aussicht vorfindet. Von unten beschweren sich ein paar Guides, aber bis die da sind, sind wir schon lange auf der anderen Seite unten und sitzen unschuldig im Schatten der Bäume und lesen :)

Natürlich gäbe es noch viele weitere Tempel zu entdecken. Aber nach drei Tagen können auch wir langsam kein altes Gestein mehr sehen und sind der Meinung, die für uns schönsten gesehen zu haben. Jetzt sind wir erst einmal gesättigt mit Sightseeing und brauchen in nächster Zeit so schnell keine Tempel mehr :D

Natze & Domi