Kathmandu - Nichts für schwache Nerven

Die Waden ziehen und die Entspannungslust nach dem Trekken ist kaum zu bremsen; unsere letzten zwei Tage in Pokhara sind gefüllt mit dem, wozu unser Hostel wirklich genial ist: ausspannen.

Freitagmorgen verabschiedet uns die Stadt mit einem atemberaubenden Bergpanorama und wir treten unsere Busfahrt ostwärts in die Hauptstadt an. Binod, unser Hostelbesitzer, vermittelte uns am Abend zuvor zwei „Touri-Bus Tickets“, von denen wir uns eine gemütlichere und besser gefederte Fahrt erhoffen. Doch die Fahrt sollte das bisher Abenteuerlichste und Unterhalsamste werden. Nun, alles der Reihe nach.

Wir besteigen also frühmorgens mit einer Schar Chinesen den Bus (nicht, dass diese uns unsympathisch wären; nur kann einem das laute Geschmatze beim Snacken, die zwanghafte Notwendigkeit für Selfies bei jeder Serpentinenkurve und lautes, chinesischen wie-lange-denn-noooch-Seufzen beizeiten schon mal ein paar Nerven kosten) und beginnen eine vermeintlich sechsstündige Reise. Nach kurzer Zeit wird klar: die Stoßdämpfer machen keinen großen Unterschied zum billigeren nepalesischen Bus, die Ventilatoren funktionieren nur teilweise und die Antriebswelle macht verdächtige Geräusche. Wir hoffen das Beste und werden natürlich nicht bestätigt. Der Fahrer hält alle halbe Stunde an einer Werkstatt, um Teile zu besorgen und wir stecken ab der Hälfte des Weges in einem Stau fest, der die Fahrtdauer auf 13 Stunden verlängert. Für die Pinkelpausen muss schnell improvisiert werden (wie wir ja schon wissen, halten Busfahrer nicht für dich an) und auch das Essen muss mit zackiger Gestikulation an einem der vielen Straßenimbisse besorgt werden, um nicht die Strecke entlang der steillen Abhänge hinterherlaufen zu müssen. Als dann auch noch kurz vor dem höchsten Punkt des Passes die Antriebswelle mit beißendem Geruch und lautem Knacken den Geist aufgibt und der Bus zum Stillstand kommt, müssen wir alle lachen. Das hat nun wirklich keiner für den doppelten Preis erwartet! Jetzt sehnen wir uns wirklich nach einem robusten „Holzklasse“ Bus mit Räucherstäbchen und nepalesischer Volksmusik! Wir werden gebeten, auszusteigen und - jetzt wundert einen ja nichts mehr - gut gelaunt animiert, den Bus anzuschieben. Wir machen uns einen Spaß daraus und siehe da, sobald die Welle durch etwas Muskelkraft wieder eingerastet ist, scheint die Mühle ja wieder zu laufen! Schnell springt Einer nach dem Anderen auf unseren fahrbaren Untersatz - jetzt bloß ohne zu bremsen den restlichen Anstieg überwinden! Moment, fehlen da nicht ein paar Leute!? Bis zum nächsten Parkplatz auf abfallender Seite sind es gute 10 Minuten und hier stellen die Chinesen ihren Humor unter Beweis: während einer von ihnen immer wieder theatralisch-weinerlich den Namen des fehlenden Kumpels aus dem Fenster ruft, prustet die restliche Gruppe hysterisch gackernd los und freut sich schließlich jubelnd über die Rückkehr des untersetzten, verschwitzten und schimpfenden Artgenossen - und nimmt ihn danach sogar noch ordentlich auf den Arm. Nichts für ungut, aber es war zu unserer Belustigung ausgerechnet der zuvor am lautesten stöhnende und meckernde Chinese.

Die Franzosen hinter uns hingegen finden das alles gar nicht komisch und drücken die losgelöste Stimmung durch ernste Diskussionen, nachdem die zwei fehlenden Mesdames sich wieder eingefunden haben. Erst danach wird uns bewusst, wie viel Gück wir doch hatten, dass der Bus nicht schon viele Höhenmeter früher mitten im zähfließenden Verkehr abgestunken ist und so kommen wir viel zu spät, aber glücklich in Kathmandu an.

Die Stadt ist wie Pokhara erstaunlich sauber, touristisch und vor allem aber: leer. Natürlich haben wir es wieder geschafft, unseren Aufenthalt während hinduistischen Feierlichkeiten zu planen und jetzt unwissentlich das Dashain- Fest erwischt: der Sieg des Guten über das Böse. Hier feiern die nepalesischen Hindus besonders hingebungsvoll, denn die 15-tägige Ernte-Feierlichkeit dient vielen auch als Trost für die schweren Zeiten, die das restliche Jahr über anstehen. Man wirft sich in die neuesten Klamotten, besucht die Familie und bekommt ein Tikka aus Reis auf die Stirn. Am deutlichsten wird uns der starke Glaube der Nepalesen vor Augen geführt, als wir im Backpacker Viertel Thamel einen Scooter ausleihen wollen. Unser fast schon aufdringliches Glück für die kuriosesten Momente scheint uns wieder zu verfolgen und wir werden sehr höflich gebeten, noch 15 Minuten zu warten, denn draußen weihen die Damen des Hauses gerade alle Scooter, Motorräder und Autos, um mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.
Dass gleich Blut fließen würde, konnten wir nicht ahnen und so gesellen wir uns zu den Schaulustigen. Der Besitzer kommt aus dem Haus, in einer Hand geschickt einen rieseigen Gockel festhaltend (der Domi kurz vorher beim Vertragunterschreiben panisch angeschissen hatte) , in der anderen ein schäbiges Küchenmesser. Ganz ohne großes Tamtam schneidet er dem Hahn die Kehle auf und dieser sprüht in röchelnder Schockstarre Blut auf den Kühlergrill des Autos. Ganz bedächtig geht der Vermieter seine Runde und versieht jedes einzelne Fahrzeug mit ein paar Tropfen und Federn des Hahns, bis er schließlich den Kopf ganz entfernt und ihn nebst ein paar Opferfrüchten feierlich platziert und anzündet.

Leicht perplex von den Geschehnissen nehmen wir unseren Scooter entegegen und machen uns auf eine Tagestour, um die Friedens-Stupa und eine nahegelegene Altstadt zu besichtigen.
Leider nehmen es die Nepalesen wie die Inder Touristen gegenüber gierig und so bleiben wir ausserhalb der Innenstadt Baktapurs, nachdem wir aufgefordert wurden, 15€ Eintritt für ein heruntergekommenes Rathaus zu zahlen.

Wir machen uns hostelwärts und speisen abends in einer Bar mit Live-Musik. Erstaunlicherweise scheinen Nepalesen unter Kennern für ihre Cover-Fähigkeiten bekannt zu sein und stellen das auch promt unter Beweis. Die Band "Strings" singt die Stones, Guns&Roses und Jimmy Hendrix verblüffend gut nach, was ACDC angeht sogar noch um Welten besser als das Original und lässt die kleine Bar völlig ausflippen. Wir ärgern uns ein wenig, denn genau an diesem Abend haben wir mal die Kamera und Smartphones zu Hause gelassen. Ein paar Bier später machen wir uns glücklich auf den Weg ins Zimmer und packen für den kommenden Tag - 12 Stunden Gabelflug nach Aurangabad in Indien.

NAMASTE NEPAL, es war uns eine riesige Ehre! Wir kommen auf jeden Fall wieder!

Natze & Domi