Teil 1 Kambodscha - Vom Osten in den Süden

Nach zwei Tagen in Ho-Chi-Minh wollten wir nur noch raus aus dieser Stadt. Einfach viel zu voll und zu laut. Unsere Bikes kommen natürlich mit uns mit, es macht einfach viel zu viel Bock auf ihnen herum zu cruisen und noch dazu kann man mit einem vietnamesischen Nummernschild easy über die Grenze nach Kambodscha. “Easy”.... Ja, das wollen wir ja mal sehen. Erstmal müssen wir mit Alex und Nate raus aus dieser überfüllten Millionenstadt, die ein reiner Termitenhaufen aus Rollern zu sein scheint.

Es kostet uns zwei Stunden, bis wir endlich die Stadtgrenze erreicht haben. Im ersten Moment sind wir erleichtert, über die nicht ganz so überfüllte Landstraße, werden dann aber doch ein bisschen nervös, als wir an der Grenze ankommen: Denn wenn es blöd läuft, müssen wir die Bikes hier abgeben. Also entsteht der Plan, weit weg vom Zoll zu parken, hinzulaufen, Stempel zu holen und wortlos durchzufahren. Gut, dass der Grenzposten in Moc Bai nicht an der eigentlichen Stelle liegt, sondern ein paar hundert Meter weiter entfernt in einem Gebäude, das eher an ein Lagerhaus erinnert. Gut auch, dass wir das zu spät checken und natürlich DIREKT davor parken....Eieiei, jetzt heißt es unauffällig verhalten und so schnell wie möglich weg hier. Schnell ist aber schon mal nicht drin. Wir stehen zwei(!!!) Stunden an, nur um den Ausreisestempel zu bekommen. Nein, es liegt nicht daran, dass viel los ist, es sind nur 10 Leute vor uns. Eher will der nette vietnamesische Grenzbeamte seine Position durch sehr, sehr, seeeeehr langsames Arbeiten deutlich machen. Bei gefühlten 50 Grad in einer heruntergekommenen, nackten Lagerhalle sind jetzt sogar unsere geduldigen Kanadier genervt, die eigentlich nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Lange Zeit später, mit Stempel in der Tasche, sind wir heilfroh, Vietnam endlich verlassen zu können. Die Anspannung hält noch kurz an, weil wir ja noch durch die kambodschanische Immigration müssen. Wieder parken wir viel zu nah am Grenzposten, besser gesagt direkt vor dem Fenster... Behörden sehen hier auch mal gern aus wie Imbissbuden! Noch leicht nervös füllen wir unseren Visumsantrag mit Hilfe der Grenzposten (die unsere Bikes ganz offensichtlich gesehen haben) aus, werden kurz darauf aber lächelnd durchgewunken. Wir sind überwältigt und düsen johlend davon. Und tatsächlich! In Kambodscha verhält sich alles anders als in Vietnam. Die Menschen erscheinen uns jetzt schon viel freundlicher: wir werden bei Pinkelpausen oder kurzen Snacks neugierig angesprochen und bekommen fleißig Tipps und Zuspruch, sind wir doch im Vergleich zu Vietnam auf einmal ein seltenes Bild auf unseren Mopeds.

Phnom Penh

Obwohl Phom Penh die Hauptstadt Kambodschas ist, treffen wir hier nicht auf Verkehrschaos und unfreundliche Menschen. Es ist so krass, wie unterschiedlich doch zwei Länder sein können, obwohl diese direkt nebeneinander liegen. Vor allem da wir fast alle vier Wochen in einem anderen Land sind, fällt uns das immer mehr und mehr auf, gerade auf unseren Bikes sind wir besonders sensibel dafür. Trotz der vielen Baustellen und Schotterpisten kommt uns der Verkehr viel sicherer und uns die Menschen umsichtiger vor. Trotz der langen Fahrt kommen wir relativ entspannt am Abend im Hostel an, wo uns der Rest der Bande schon aus dem 4. Stock freudig entgegen brüllt (Vier aus unserer Crew sind nämlich mit dem Bus gefahren).

Unsere dritte Stadt am Mekong (nach Luang Prabang und Vientiane in Laos) hat zwei verschiedene Gesichter. Während die Boulevards hinter Militärpatroullien gold glänzen und Reichtum signalisieren, erinnert der Geruch in den kleineren Gassen nahe des Flusses schon mal gern an Momente in Indien.

Beim ersten Supermarktbesuch schlucken wir gehörig – alles wird in amerikanischen Dollar gezahlt und ist verglichen zu den anderen Ländern völlig überteuert. Wasser ist mehr als doppelt so teuer und so toll die Kaffeehaus Kultur auch ausschauen mag, ist es leider in unserem Budget nicht drin; die Preise erinnern uns an Münchner Verhältnisse... Dann gibt`s eben nur einen Kaffee am Tag, arme Natze!

Trotzdem lassen wir uns die Laune dadurch nicht vermiesen. Innerhalb von Stunden lernen wir so viel über den positiven Zeitgeist der Kambodschaner, die vor rund vier Jahrzehnten unglaublich viel Leid durchmachen mussten. Zuerst haben sie während des Vietnamkrieges, genau wie Laos, unter den amerikanischen Bomben gelitten. Kurz darauf wurden sie von den “Roten Khmer”, einer kommunistischen Studentengruppierung, die mit Hilfe der vietnamesischen Kommunisten die antiamerikanische Gunst der Stunde nutzten, durch einen unglaublichen Völkermord an den Rand der Existenz getrieben. Um ganze zwei Drittel hat die Bewegung unter Pol Pots die eigene Bevölkerung ausgedünnt und das in nur drei Jahren. Mit dem Ziel, einen Agrarstaat mit absoluter Gleichberechtigung zu errichten, deportierten sie die gesamte Stadtbevölkerung Kambodschas aufs Land und ließen sie unter unmenschlichen Bedingungen für ihr Ziel arbeiten. Wer auch nur eine Brille trug, ein Kunsthandwerk ausübte oder ein westliches Lehrbuch besaß, wurde als potentieller Feind des Regimes gnadenlos getötet. Als alle Akademiker, Gelehrte und Theologen letztendlich diesem Wahnsinn zum Opfer gefallen waren, standen Pol Pots und Gefolge ganz ohne Fachkräfte und Fachwissen über Landwirtschaft da und begannen einen gnadenlosen Massenmord, der erst durch das Eingreifen von moderateren vietnamesischen Kommunisten beendet wurde. Es ist kaum zu glauben, aber das alles ist erst rund 40 Jahre her. Auf dem Gelände des “S-21”, dem bestialischen Gefängnis in Phnom Penh, damals mitten in der Geisterstadt, wird einem dies realistisch vor Augen geführt. So realistisch, dass Domi bei seiner Tour, trotz vorheriger KZ Besuche, gegen Ende des Audioguides sogar abbrechen muss.

Wir erfahren, dass das Durchschnittsalter der Kambodschaner heute nur 21 Jahre(!!) beträgt. Und wenn wir doch mal einem der wenigen älteren Menschen hier begegnen, schaudern wir bei dem Gedanken, welchen Horror dieser wohl erlebt haben muss. Doch, und das ist das mit Abstand Schönste hier, die Menschen sind unglaublich lebensfroh und begegnen dir immer mit einem Lächeln auf den Lippen – fast, als wäre nie etwas gewesen. Gerade als Deutsche bewundern wir diese Einstellung zur Geschichte und würden gern etwas mehr davon zu Hause sehen.

Kampot

Zwei Tage später kommen wir nach einer langen Fahrt durch eine atemberaubende Landschaft im schönen Kampot an. Ein ruhig gelegenes Städtchen an einer hübschen Flusskulisse, deren Innenstadt von alten französischen Gebäuden gesäumt ist. Wir mieten uns hier in einem Bungalow direkt am Flussufer ein. Die kommenden Tage machen wir absolut gar nichts. Ich lasse es mir einen ganzen Tag lang in einem “Lady`s Spa” so richtig gut gehen, während Domi sich mit den Jungs im Wasserpark des Hostels "Arcadia" vergnügt. Die Hängematte auf unserer Terrasse wird zu unserem besten Freund. Es fühlt sich richtig gut an, nach so langer Zeit einfach einmal wieder abspannen zu können und die Seele baumeln zu lassen. Selbst die zahlreichen Pfefferplantagen, auf denen weiße, schwarze, grüne und rote Sorten geerntet werden, für die Kampot sehr berühmt ist, , lassen wir links liegen. Die Atmosphäre hier am Fluss ist einfach zu traumhaft schön, besonders wenn die Sonne hinter den Bergen untergeht.

Sihanoukville

Auf der Fahrt nach Sihanoukville ("Schnuuuckville", wie unsere beiden Engländer immer sagen) verlieben wir uns endgültig. Kambodscha war immer das Land, vor dem ich vor unserer Abreise am meisten “Angst” hatte. Ich dachte immer, landschaftlich gäbe es hier nicht viel zu sehen und vor allem trägt die Seite des Auswärtigen Amts einen großen Teil dazu bei, dass man meinen könnte, dass alle Menschen hier korrupt seien und dich an der nächsten Straßenecke umbringen wollen. HA! Von wegen! Wir sind auf unserer ganzen Reise noch nie so netten, herzlichen und hilfsbereiten Menschen begegnet.

Die Stadt Sihanoukville hat nicht viel zu bieten, wir nutzen es eher als Stop-Over um auf die nahe gelegene Insel Koh Rong zu kommen. Wir verbringen eine Nacht am Otres Beach im “Footprint Hostel”. Unter Tags findet man hier einen wirklich traumhaften Strand und die chillige Bar lädt zum verweilen ein. In der Nacht ist es hier leider der absolute Horror... Der 20-Mann Schlafsaal befindet sich direkt am Strand, “open air” sozusagen, ohne Wände. Hört sich verdammt toll an. Stimmt, wenn man ein bisschen mehr Liebe hinein stecken würde, wäre das ein wirklich tolles Highlight! Allerdings befindet sich der Schlafsaal DIREKT über der Bar und deren dicken Boxen, aus denen bis zwei Uhr nachts laute Trance Musik dröhnt, von der man um 8Uhr morgens auch wieder liebevoll geweckt wird. Desweiteren sind die Betten der reinste Horror....Die Matratzen haben ihre guten Zeiten längst hinter sich, alles ist modrig und Bettwanzen gibt es inklusive. Und so flüchten wir am nächsten Morgen so schnell wie möglich und nehmen das nächste Speedboot nach Koh Rong, Kambodschas Trauminsel.

Koh Rong

Am Pier von Sihanoukville sehen wir die Leute, die gerade von Koh Rong zurück kommen. Sie sehen nicht sehr happy aus und braun gebrannt sind sie alle auch nicht. Ich scherze noch und meine zu Domi, dass das meist kein gutes Zeichen sei. Entweder hatten sie die ganze Zeit schlechtes Wetter, oder ihnen hat die Insel überhaupt nicht gefallen. Kurz darauf steigen wir in das Speedboot und uns wird schlagartig klar, warum alle so kreidebleich waren. Das Boot ist mit drei 250 PS Motoren ausgestattet....Viel zu viel für die 30-Mann Nussschale! Den Zweck der Geschwindigkeit erfüllen sie aber definitiv. Nun gut, am Anfang gefällt das Tempo noch allen Fahrgästen, doch je weiter wir die schützende Bucht verlassen, wird klar: es herrscht verdammt raues Wetter um Koh Rong. Die weiße Plastikschüssel, ausgestattet mit einer Menge (nicht unbenutzter) Schwimmwesten, stürzt sich im 45° Winkel seitwärts von einem Wellental ins nächste und lässt so gut wie keinen Passagier trocken. Irgendwie trifft es alle Touristen unvorbereitet – das Handgepäck wird klatschnass von den dutzenden Kubiklitern Meerwasser, die sich ihren Weg im Fußraum von Bug bis nach ganz hinten zum Abfluss bahnen. Die Kambodschaner hingegen sind mit Mützen und Regenjacken eingestiegen und auch mit einer Menge Kotztüten scheinen sie ausgestattet zu sein. Man kann sagen, dass die Stimmung an Board generell nicht so berauschend ist, nur ein paar wenige nehmen es mit Humor. Hauptsache der Kapitän hat seinen Spaß.

Nach eineinhalb Stunden vergeblicher Suche nach einem Fixpunkt am Horizont wird die See endlich ruhiger und das Dröhnen der Motoren lässt langsam nach. Wir blicken auf strahlend weiße Sandstrände und ein erstaunlich großes Pier vor der Hauptsiedlung von Koh Rong. Nach dem Anlegen wird uns vom Boot unsanft unser Gepäck entegegen gefeuert und kaum verlässt der Fuß des letzten Fahrgasts das Deck, rauscht dieses völlig übermotorisierte Geschoss in Richtung der anderen Anlegestellen. Etwas wackelig können wir auf vielen Gesichtern Erleichterung ablesen und machen uns mit der Masse auf zum Festland. Noch auf dem Pier sind jede Menge kleine Stände aufgebaut, es gibt Essen, Erfrischungen und Hochprozentiges, alles angesammelt unter schiefen Holzplanken mit einfachster Einrichtung. Uns strömen Gerüche von frisch gebratenem Fisch entgegen, nebenan zischen die Zutaten in einem viel zu heißen Wok und leere Rumflaschen liegen auf dem Boden, das alles vor einer verwinkelten, lauten Siedlung mitten im Palmenwald hinter perfekt türkisblauem Wasser und weißem Sand. Schlagartig kommt man sich vor wie ein gestrandeter Seemann in einer Piratenbucht der Karibik voller Trunkenbolde und Freudenhäuser. Kurz kommt der Wunsch auf, sich kopfüber ins Geschehen zu werfen, wären da nicht die latente Übelkeit von der Überfahrt und die 15kg auf dem Rücken bei 35°C im Schatten. Plus, wir haben noch nichts gebucht. Also dann los, Augen zu und durch, die steilen Gassen nach oben, vorbei an stark stinkenden, schwarzen Abwasserrinnsalen und tobenden kambodschanischen Kindern (die unheimlich hübsch sind!!) bis zu einer charmanten Unterkunft etwas ab vom Schlag, wo wir hoffen, nachts ruhig schlafen zu können.

Wir haben gehofft, dass diese kambodschanische Insel noch nicht so bekannt ist und dachten hier einen echten Geheimtipp gefunden zu haben. Leider weit gefehlt. Noch vor 2 – 3 Jahren sicherlich wunderschön, bevor die ganzen Touristen diese Insel stürmten und es hier zu einem wahren “Saufparadies” geworden ist. Ein Geheimtipp ist die Insel leider schon lange nicht mehr, sondern viel mehr die größte Partyinsel Kambodschas. Gerade Müll ist hier leider ein enormes Problem. Der Abschnitt am Pier ist mit betrunkenen Backpackern nur so überlaufen und alle zehn Meter fließen die Abwässer durch blaue Rohre ins Meer. Wir befolgen den netten Rat, bloß nicht hier am Strand baden zu gehen. Ja ne, das hätten wir bei diesem Anblick sowieso nicht gemacht. Wir machen uns lieber den Aufwand und laufen die Strände gen Norden ab. Hier finden sich der 4K Strand und der Coconut Beach, wo es schon deutlich ruhiger zu geht und man auch beruhigt ins kühle Nass springen kann. Doch leider können diese nicht über das schlimme Bild des Hauptorts hinweg trösten und hinzu kommt, dass wir uns nach nur zwei Tagen auf der Insel eine deftige Lebensmittelvergiftung einhandeln. Wie wir später erfahren, sind wir nicht die einzig Betroffenen. Auch die zwei Kanadier und das englische Pärchen hat es getroffen, sowie noch einige andere Reisebekanntschaften. Und wir haben alle in unterschiedlichen Restaurants gegessen.... Das spricht jetzt nicht unbedingt für die Hygiene auf der Insel. Der Magen will sich entleeren, kann sich aber nicht entscheiden ob erst von oben oder unten und wir sind froh, dass es nach zwei Tagen wieder einigermaßen besser geht. Bäääääähhhhhh.....Wir wollen einfach nur noch weg und machen uns nach nur vier Tagen auf der Insel sofort zur Rückreise auf. Im Nachhinhein hätten wir lieber auf die Insel Koh Rong Samloem fahren sollen, diese sei nämlich wirklich noch ursprünglich und im Gegensatz zu der großen Schwester wunderschön.

Hätte, hätte... Aber es hilft nichts. Also zurück zum Pier und... ohje, da war ja was. Als wir ankommen, wartet exakt dasselbe Boot auf uns. Leider können wir schon im Hafen beurteilen, dass der Wellengang heute wesentlich stärker ist, als bei der Anreise. Noch bevor wir einsteigen, wird uns bewusst, warum so viele Ankömmlinge in Sihanoukville so ein Gesicht gezogen haben. Viele Optionen bleiben uns nun leider nicht mehr. Und schon geht`s los, diesmal mit der Regenplane unserer Mopeds und einigen Kotztüten bewaffnet, aber mit weitaus weniger Elan im Gepäck.

Wieder in Sihanoukville mieten wir uns dieses Mal in ein anderes, wesentlich besseres, Hostel ein, kurieren den schiefen Magen aus und ich entscheide mich dazu, meinen (mehr oder weniger) treuen Kenny zu verkaufen. Keinen Tag später schlägt ein spanischer Backpacker auf einen genialen Preis ein und ich bin deutlich erleichtert, wieder “einfach” mit dem Bus reisen zu können. Der Plan steht und am kommenden Nachmittag, nachdem auch der Rest der Mopedtruppe (auf einem deutlich größeren und ruhigeren) Boot eintrudelt, heißt es Abschied nehmen. Während ich mich die kommenden vier Tage in einem Yoga Retreat in Siem Reap entspannen werde, fährt Domi mit Alex und Nate die Strecke mit ein paar Zwischenstopps selbst weiter. Noch stehen ein paar kleine Reparaturen, Ölwechsel und Vorbereitungen an und am Morgen darauf geht es mit einer weiteren, unbedeutenden Nacht in Phnom Penh weiter in Richtung Krakor!

Natze & Domi