Gefühle von unterwegs – Warum Reisen manchmal echt nerven kann - Teil 1

 

Wie die Überschrift schon vermuten lässt, geht es heute einmal um die Kehrseite des Reisens. Jeder erzählt nur immer von den positiven Seiten und wie “schön” doch alles ist und was man denn so “tolles” erlebt. Ja, die meiste Zeit ist es auch wirklich so (Sorry! Muhaha).

 

Aber wo Licht ist, ist meistens auch Schatten. Es ist nicht alles so rosig, wie man sich das von zu Hause vielleicht vorstellt.

 

Am Anfang der Reise waren wir noch voll bei der Sache, ab ins Abenteuer, so viel wie möglich sehen, Fotos machen und mit Euch teilen. Doch nach ein paar Monaten lässt dieses Begeisterungsgefühl langsam nach und man ist auch ein wenig “gesättigt” von den vielen Sehenswürdigkeiten. Das Gefühl der Lustlosigkeit stellt sich ein. Besichtigen wir einen Tempel, denken wir uns: “Joa, nett, ist eben ein Tempel wie jeder andere auch.” Oder wir liegen an einem wunderbaren Strand, zu dem wir schon immer wollten, das warme, türkisfarbene Meer umspielt die Zehen, es riecht nach Salzwasser und wir sagen einstimmig: “Hm, hatten wir uns besser vorgestellt. Da haben wir schon Schönere gesehen.” Es kommt der Punkt, an dem man sich schwertut, richtig begeistert zu sein. Es haut uns nichts mehr so richtig um, wie das anfangs der Fall war. Versteht uns nicht falsch, ja es ist schön, wunderschön sogar, aber speziell in Asien hat man alles schon einmal gesehen, nur eben in einem anderen Land.

 

Ja, es klingt crazy und viele von euch sagen wahrscheinlich zu recht “Ihr spinnt doch!”, aber wir haben in diesen 7 Monaten bisher schon so viel gesehen. Man unternimmt hier nicht wie zu Hause nur was am Wochenende, sondern täglich. Und auf einmal erwischt man sich mitten in dicht bewachsenem Dschungel, irgendwo in malerisch bergigen Landschaften oder an berühmten, historischen Orten bei dem Gedanken “Shit, mache ich die Tour hier grade nur, weil ich sonst ein schlechtes Gewissen hätte?!”.

 

Zum ersten Mal haben wir in den Cameron Highlands in Malaysia das Handtuch geschmissen und uns zwei Tage mit Kaffee und Laptop im Starbucks verschanzt (zu unserer Verteidigung: es war sau kalt und hat geschüttet wie aus Eimern). Die Sensationslust ist uns vollkommen abgegangen und wir hatten die Schnauze gestrichen voll vom Wandern gehen. Doch selbst dann wird aus dem geplanten Rumpimmeln nichts; Gewissensbisse lassen sich eben doch nicht abstellen – dann eben nach Touren an der nächsten Destination suchen!

 

 

Der wohl anstrengendste Teil beim Reisen ist das Organisieren. Denn auf Rucksack-Reisen gilt:

 

Alles was zu Hause selbstverständlich ist, muss hier selbst erarbeitet werden. Sind zum Beispiel die Nachbarschaft und alle wichtigen Einkaufsmöglichkeiten daheim bekannt, müssen wir in jedem neuen Land, eigentlich in jeder neuen Stadt, von vorne zu suchen anfangen. Mit unserem Tempo reisen und das Smartphone weniger nutzen? Vergiss es.

 

Wo geht es als nächstes hin, wie lange wollen wir da bleiben, welches Hostel, oder doch lieber Privatzimmer?! Man verbringt unendlich viel Zeit damit, auf verschiedenen Hotel-Apps die Ergebnisse nach Preis und Bewertung zu sortieren und nebenher die eigentliche Fortbewegung per Zug, Bus, Schiff oder Flugzeug zu organisieren.

 

 

Dann heißt es vor Ort: Ist es besser, sich einen Roller zu mieten, ein TukTuk zu nehmen oder doch lieber mit dem Bus herum zu fahren, bei dem man aber auch erstmal durch das Busliniennetz steigen muss (wenn es sowas überhaupt gibt)? Entscheidet man sich dann für den Roller, ist es damit aber nicht getan. Zuerst werden die Preise überall verglichen. Hat man dann einen günstigen gefunden, läuft es immer nach dem selben Muster ab: Bremsen, Lichter und Hupe werden gecheckt und wenn das alles funktioniert wird von jedem noch so kleinen Kratzer ein Bild gemacht, damit man am Ende der Rückgabe nicht für etwas verantwortlich gemacht wird, was man gar nicht kaputt gemacht hat. So sollte Domi zum Beispiel in Pai für einen Schaden aufkommen, der schon vorhanden war. Dank der geschossenen Bilder war alles nachweisbar und er erhielt seinen hinterlegten Pass zurück. Sowas ist kein Einzelfall und oftmals nervt es einfach wirklich, dass man sich für alles absichern muss, um hinterher nicht zur Kasse gebeten zu werden.

 

 

Haben wir uns in ein Land gerade hineingefunden und wissen wie der Hase läuft, so müssen wir auch schon wieder ausreisen (das Visa läuft aus oder wir wollen ja doch weiter, weil wir irgendwie ja doch “mehr” sehen möchten). Dann kommen wir in einer neuen Kultur an und alles ist wieder fremd, wir starten also wieder fast bei Null. Doch das Selbstbewusstsein wächst bei jedem Grenzübergang!

 

 

Gefühlt jeden zweiten Tag lernen wir wieder neue Leute kennen, was toll ist, weil daraus wirklich schon tolle Bekannschaften entstanden sind, aber diese sind leider sehr rar. Mit den meisten Gesprächspartnern führen wir die immer wieder gleichen Smalltalkgespräche à la “Woher kommst du, wohin gehst du, wie lange reist du schon, was hast du schon alles gesehen?”... Da wir natürlich nicht vereinsamen möchte, führen wir also solche Gespräche früher oder später am Tag mit anderen Backpackern. Bis einem die eigene Geschichte zu den Ohren raus kommt. Und wenn sie dann hören, dass wir seit 7 Monaten unterwegs sind und nochmal fast so lange reisen, dürfen wir unsere ganze Story auspacken. Klar, man trifft ja nicht jeden Tag Leute, die so lange reisen und ja, wir erzählen das ja auch gerne und sind natürlich ein wenig stolz. Aber manchmal fühlen wir uns wie bei “Und täglich grüßt das Murmeltier”. Und dann, wenn wir mal gar keinen Bock darauf haben, sagen wir, dass wir nur für vier Wochen herum reisen (Shame on us).

 

In solchen Situationen wünschen wir uns doch Gespräche mit mehr Tiefe und sehnen uns umso mehr nach den guten Freunden zu Hause – nach langer Zeit mit den Besten in ein Gespräch eintauchen, als wäre es gestern gewesen? Wahrer Luxus, das wird uns hier bewusst!

 

 

 

Das alles wäre nicht möglich, ohne das liebe Geld und mit diesem muss man haushalten. Domi und ich haben uns ein Tagesbudget gemäß unseres monatlich zu Verfügung stehenden Geldes gesetzt. Um die Ausgaben besser im Blick zu behalten, erfassen wir diese in einer App und zwar täglich, seit 7 Monaten, jedes Mal, wenn wir etwas kaufen. Klingt anstrengend und nervig, ist es auch.... Aber es hilft einfach ungemein. Zudem muss das Online Konto regelmäßig gecheckt werden, um neues Geld auf die Visa Karte zu überweisen. Wie oft standen wir am Anfang nämlich da und der Automat wollte uns einfach kein Geld mehr geben, weil das Limit schon erreicht war!

 

 

Spätestens nach 5 Tagen heißt es immer wieder Rucksack packen und weiter geht's. Auch darin wurden wir beide mit der Zeit immer besser, mittlerweile wissen wir, dass wir den dicken Pulli und die Regenjacke, deren Gebrauch wir an einer Hand abzählen können, ganz unten hinein packen sollten und nicht wie vorher ganz am Schluss oben drauf. Wir haben mit der Zeit unser Packsystem optimiert und alles hat seinen eigenen Platz. Doch zwischendurch gibt es dann doch immer einmal diesen Moment, in dem der eine zum anderen sagt, wie sch**** er/ sie doch heute gepackt hat, weil der Rucksack nicht zugeht. Und dann ist man genervt, weil man wieder vollbepackt durch die Straßen zur nächsten Busstation hetzt, bei 30Grad im Schatten, nur um das selbe Spiel zwei, drei Tage später von Neuem zu starten. Dann fragt man sich doch kurz: “Warum zum Teufel tun wir uns das eigentlich alles an?!”

 

 

Doch Gott sei Dank verfliegen solche Gedanken wieder ganz schnell, weil man sich daran erinnert, wo man gerade auch sein könnte. Zu Hause, wo man zwar alles kennt und alles seinen geregelten Lauf geht, wo man nicht täglich neue soziale Kontakte scannen muss. Doch dort würde man auch ganz viel von der Welt und den neuen Erfahrungen verpassen!

 

In keinster Weise wollen wir uns hier beschweren, oder euch etwas vorjammern. Nur finden wir, gehört sich auch einmal die andere Seite aufgezeigt, denn wenn man das Thema “Weltreise” oder “Backpacking” einmal googelt, dann findet man nur Blogs darüber, wie toll alles ist, welche Vorteile so eine Reise mit sich bringt and so on.

 

Wir müssen diesen Blogs aber recht geben, denn die meiste Zeit ist es leider eben auch scheiße geil! ;)

Fun Facts: Unsere bisherigen 7 Monate in Zahlen

Länder, die wir besucht haben: 9

 

Betten, in denen wir geschlafen:66(!!!!!)

 

Nachtfahrten (Bus, Zug, Fähre):15

 

Tage auf Reisen: 207

 

Sooft haben wir unsere Rucksäcke bisher gepackt: alle 2,55 Tage

Natze & Domi



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